Rainer SkazelRainer Skazel ist geschäftsführender Gesellschafter des Deutschen Instituts für Vertriebskompetenz sowie exklusiver Lizenzgeber für die AECdisc®-Potenzialanalyse.
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Von Mensch zu MenschVerkauf findet immer zwischen Menschen statt – auch in unserer immer stärker digitalisierten Welt. Doch gerade diese menschliche Komponente erweist sich mitunter als Hindernis und kann dafür sorgen, dass Verkaufsabschlüsse nicht zustande kommen – obwohl Kunde und Lösung perfekt zueinander passen. Wie Verkäufer ihre Menschenkenntnis verbessern und produktiv einsetzen können, darüber habe ich mit dem Vertriebstrainer Rainer Skazel gesprochen. Die Persönlichkeitsanalyse und die Potenzialdiagnostik sind wesentlicher Teil seiner Beratertätigkeit.
Herr Skazel, bei der Persönlichkeitsanalyse im Vertrieb geht es ja immer auch darum, möglichst sicher zu erkennen, welchem Persönlichkeitstyp ein Kunde angehört. Allerdings ist es doch auch so, dass sich Menschen in unterschiedlichen Rollen und Situationen anders verhalten – bzw. im privaten Umfeld häufig andere Verhaltensmuster zeigen als im beruflichen. Wie zuverlässig kann man denn anhand des ersten Eindrucks sagen, wen man wirklich vor sich hat und wie man ihm am besten begegnet?
Die wesentlichen Grundmuster, die ein Mensch hat, behält er in den meisten Fällen bei. Wenn man zunächst nur zwischen intro- und extrovertierten Persönlichkeiten unterscheidet, kann man sagen, dass diese Ausprägung in 70 bis 80 Prozent der Fälle beibehalten wird. Es muss schon sehr viel passieren, damit ein introvertierter, analytischer und aufgabenorientierter Technischer Einkäufer – also nach unserer Typologie ein „blauer“ Persönlichkeitstyp – sich zu Begeisterungsstürmen hinreißen lässt. Umgekehrt hat natürlich ein „gelber“, also ein extrovertierter, optimistischer und kommunikativer Gesprächspartner auch mal einen schlechten Tag. Im Wesentlichen bleibt man sich aber treu – und das gilt natürlich genauso auch für einen selbst. Was kann man denn konkret damit machen, wenn man weiß, was der Kunde für eine Persönlichkeitsstruktur hat? Ist es wirklich möglich, dass sich ein Verkäufer auf jeden Kunden gleichermaßen einstellen kann, egal wie dieser tickt? Spitzenverkäufer können das. Die Voraussetzung ist tatsächlich, dass ich lerne, den anderen anhand bestimmter Merkmale und Verhaltensweisen einzuschätzen – und ihm dann genau das gebe, was er braucht. Zuallererst muss ich wissen, was ich selbst für eine Persönlichkeitsstruktur habe, was meine eigenen präferierten Verhaltensmuster sind. Dazu haben wir Analysetools, mit denen wir arbeiten und mit denen wir ein sehr genaues Bild von Menschen und ihren Präferenzen zeichnen können. Dazu gehören übrigens nicht nur die persönlichen Fähigkeiten, sondern auch die Motive und Werte, sie sind sogar ganz entscheidend. Wenn Menschen unterschiedliche Werte haben, ist es ganz schwer, sie zusammenzubringen. Unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen dagegen können sich sogar perfekt ergänzen, gerade auf der fachlichen Ebene. Manchmal braucht man im Team jemanden, der vollkommen anders ist als man selbst – erst dann ist das Team komplett und es läuft alles rund. Auf der persönlichen Ebene ist es anders, da umgeben wir uns am liebsten mit Menschen, die genauso ticken wie wir selbst. Ich habe Führungskräfte in Unternehmen erlebt, die alle das genaue Abbild des Firmenchefs waren. Um wieder auf den Verkäufer zurückzukommen: Wenn jemand einen Kunden sehr schnell in seiner Persönlichkeit erkennt und sich sofort darauf einstellt, dann kann er überdurchschnittlich erfolgreich werden. Das ist tatsächlich die hohe Schule, es gibt kein Patentrezept im Umgang mit Kunden, das immer und überall funktioniert. Wenn ich aber weiß, was für einen Menschen ich vor mir habe, dann kann ich ihn genauso behandeln, wie er behandelt werden möchte – das ist ganz entscheidend. Wie könnte diese individuelle „Behandlung“ konkret aussehen, am besten anhand eines Beispiels? Ich merke ja schon anhand der Körpersprache, dass jemand, der direkt und entschlossen auf mich zugeht, ein zielstrebiger und dominanter Mensch ist, der sofort zur Sache kommen will. Bei einem solchen „roten“ Persönlichkeitstyp lasse ich den Smalltalk weg und fange gleich an. Genauso bei Präsentationen: Wenn ich einen pragmatischen Entscheider vor mir habe, der sofort die wichtigsten Fakten haben will, dann gebe ich ihm die. Fragt jemand konkret nach Zahlen und will alles im Detail wissen, nach unserer Typologie ist das wieder ein „Blauer“, dann bekommt er die ausführliche Variante. Ich zum Beispiel habe immer zwei Präsentationen dabei, eine detaillierte und eine kurze. Dann frage ich, ob es der Entscheider lieber kurz und knapp haben möchte oder lieber ausführlich. So kann ich anhand der Antwort sofort einschätzen, mit wem ich es zu tun habe und kann seine Bedürfnisse entsprechend bedienen. Wir unterscheiden auch zwischen aufgabenorientierten und menschenorientierten Persönlichkeiten. Das, was ich eben beschrieben habe, gilt für sehr aufgabenorientierte Persönlichkeiten – bei menschenorientierten Gesprächspartnern muss ich mir mehr Zeit nehmen, bevor ich zum eigentlichen Thema komme. Wenn mir ein introvertierter, zurückhaltender Mensch, also ein „grüner“ Persönlichkeitstyp begegnet, kann ich ihn nicht sofort mit meiner Präsentation überfahren. Bei ihm muss ich mir insgesamt mehr Zeit nehmen und mich auch selbst zurücknehmen, wenn ich selbst eher zielstrebig bin. Und bei einem extrovertierten, „gelben“ Kunden muss ich damit klarkommen, dass man vielleicht zehn Minuten lang über etwas ganz anderes redet, bevor man zum Thema kommt. Wenn ich ihm das nicht zugestehe, finde ich keinen Draht zu ihm. Etwas anderes, das mich in diesem Zusammenhang bewegt: Typologien können ja schon auch etwas heikel sein, man befürchtet „schlecht“ abzuschneiden und Persönlichkeitsmerkmale zu haben, die der eigenen Karriere hinderlich sind. Und diese Wertung geschieht natürlich auch gegenüber anderen Menschen. Es ist ja schon eine Herausforderung, gerade Menschen, die ganz anders sind, als man selbst, wertfrei und offen so zu nehmen, wie sie sind. Das ist tatsächlich ein wichtiger Aspekt, den wir in unseren Seminaren berücksichtigen. Wir bitten beispielsweise die Teilnehmer, einen extrovertierten Menschen aus ihrem Umfeld zu beschreiben, und dann einen introvertierten. Und es ist regelmäßig so, dass extrovertierte Teilnehmer, wenn sie über introvertierte Menschen sprechen, bemängeln, dass die ja kaum den Mund aufbekommen. Dagegen bezeichnen sie andere extrovertierte Leute als offen, kooperativ, begeisterungsfähig usw. Umgekehrt bezeichnen introvertierte Teilnehmer extrovertierte Leute gerne als Schwätzer. An anderen introvertierten Menschen loben sie deren Einfühlungsvermögen. Wenn ich dann die Teilnehmer frage, welche der Beschreibungen wertend waren, wird schnell klar, wie subjektiv wir andere Menschen wahrnehmen und damit eben auch bewerten. Deshalb ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass da immer die eigene Persönlichkeit mit hineinspielt. Ich finde schon, dass dieses ständige Werten und Bewerten in unserer „Like- und Dislike-Gesellschaft“ schlimmer geworden ist. Man könnte doch einfach mal hinnehmen, dass es unterschiedliche Menschen gibt und sich auch die Mühe machen, den Gegenüber und seine Beweggründe zu verstehen… …da sind wir bei der Achtsamkeit. Das ist ja mittlerweile ein sehr häufig verwendeter Begriff, auch im Business. Achtsamkeit ist tatsächlich der Schlüssel zum Erfolg, denn wenn ich achtsam bin, hege ich keinerlei Vorurteile, ich werte nicht und ich entwickle deshalb auch keine Antipathien. Ein achtsamer Verkäufer kann sich perfekt auf seinen Kunden einstellen und ihm das geben, was er von seiner Persönlichkeit her braucht – ohne seine eigene zu verleugnen. Und wenn ein Verkäufer gar nicht mit einem Kunden kann? Dann sollte er durch einen anderen ersetzt werden, der von seinem Persönlichkeitsprofil her perfekt passt. Es gibt ja Unternehmen, die Verkäufer immer nur eine begrenzte Zeit in einem bestimmten Gebiet lassen – dann übernimmt es ein anderer. Da kommt es vor, dass plötzlich Geschäfte mit Kunden zustande kommen, die vorher nie möglich waren. Einfach weil jetzt ein anderer Verkäufer mit einer anderen Persönlichkeit und einer anderen Herangehensweise das Gebiet übernommen hat. Umgekehrte Fälle gibt es natürlich auch – da hat dann der Vorgänger besser gepasst. Grundsätzlich ist die Persönlichkeits- und Potenzialanalyse sehr nützlich, wenn Stellen neu besetzt werden sollen. Da hat man die Möglichkeit, genau zu überlegen, wen man eigentlich braucht. Es wird häufig der Fehler gemacht, nur auf die fachlichen Skills einzugehen. Das reicht nicht. Man muss auch die Persönlichkeitsstruktur sowie die Motive und Werte definieren, die ein Bewerber mitbringen muss und diese von ihm abfragen. Erst dann kann man wirklich einschätzen, ob jemand auf eine Stelle passt oder nicht. Buchtipp: Rainer Skazel, Dirk Thiemann: Verkaufskompetenz Mensch. Gewinnerstrategien für Top-Verkäufer. ISBN 9783749461592 www.div-institut.de
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