Angelika Schleese
Angelika Schleese ist Geschäftsführerin der Schleese GmbH in Köln. (Foto: ©Schleese)
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Fest im Sattel
Produkte, die individuell für ihre Nutzer gefertigt werden, benötigen einen ebensolchen Vertrieb – einschließlich Beratung und begleitendem Service. Ein solches Produkt sind Schleese-Sättel. Vertrieben werden sie über exklusive Partner, die, bevor sie ihre Vertriebstätigkeit aufnehmen, zu zertifizierten „Pferde und Sattel Ergonomen“ ausgebildet werden. Wie sie zu diesem anspruchsvollen Vertriebsweg kam, habe ich von Angelika Schleese erfahren: Sie ist die Schwester des Gründers und Entwicklers Jochen Schleese. 2014 übernahm sie die Geschäftsführung der Schleese GmbH in Deutschland, während ihr Bruder für das international tätige Unternehmen vor allem in Kanada operiert.
Die Mehrzahl aller Reiter sind weiblich – doch die Sättel, die es bis in die 1980er Jahre hinein auf dem Markt gab, waren allesamt auf die männliche Physiognomie abgestimmt. „Bei Männern verläuft die Winkelung der Oberschenkel aus dem Hüftgelenk heraus ganz anders als bei Frauen“, sagt Angelika Schleese. „Reiten Frauen in einem Sattel, der an die männliche Physiognomie angepasst ist, führt das häufig zur Fehlhaltung und damit zu Rückenschmerzen, bis hin zu Bandscheibenvorfällen.“ Das wollte Jochen Schleese so nicht hinnehmen: Er entwickelte vor mehr als 30 Jahren Damensättel, die nicht nur anatomisch und ergonomisch der weiblichen Physiognomie angepasst sind, sondern auch der des Pferdes. Sein Anspruch ist es, die „besten Damensättel der Welt“ herzustellen, wie Angelika Schleese sagt: „Zum Wohle von Reiterin und Pferd.“
Umfassendes Know-how erforderlich Da solche nach Maß gefertigten und individuell angepassten Sättel sowohl auf Reiterin wie auch auf ihr Pferd abgestimmt werden müssen, können sie nicht – wie Produkte von der Stange – im schnellen Abkauf vertrieben werden. Doch nicht nur der Zeitfaktor bei der Beratung spielt eine Rolle. Entscheidend sind auch das Know-how und die Geschicklichkeit des Vertriebspartners bzw. des Anpassers. „Um den richtigen Sattel auswählen, bestellen und anpassen zu können, bedarf es ein grundlegendes Verständnis von Anatomie, Biomechanik und Physik sowie einer gewissen Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit“, erklärt Angelika Schleese. Dies alles bei einem Fachhändler oder Vertriebspartner vorauszusetzen, wäre illusorisch. Deshalb basiert das Schleese-Vertriebskonzept auf einer Ausbildung, die potenzielle Vertriebspartner zunächst durchlaufen, bevor sie verkäuferisch und beraterisch für das Unternehmen tätig werden. Erst wenn sie in der hauseigenen Akademie nach der von Jochen Schleese entwickelten „Saddlefit 4 Life®-Methode“ ausgebildet sind, können sie als zertifizierte Schleese-Sattel-Ergonomen tätig sein. Nachwuchs gewinnen und ausbilden „Die größte Herausforderung besteht für uns darin, dass die Nachfrage nach unseren Sätteln ständig steigt – was ja sehr positiv ist. Allerdings haben wir derzeit ein Luxusproblem: Um alle Interessenten bedienen zu können, brauchen wir weitere Partner, die wir jetzt auch gezielt über Online-Stellenportale sowie Facebook-Anzeigen rekrutieren. Da die Ausbildung ein Jahr dauert, bedeutet das eine zeitliche Verzögerung, die wir überbrücken müssen. Deshalb liegt momentan unser Fokus darauf, das Netzwerk an Vertriebspartnern auszubauen und mehr Nachwuchs zu bekommen“, so Angelika Schleese. Wenn die Geschäftsführerin von Vertriebspartnern spricht, geht es nicht um Franchisenehmer, sondern um B2B-Kunden: „Über Franchise haben wir auch schon nachgedacht, doch wir haben uns für eine andere Lösung entschieden: Unsere Partner sind dahingehend unsere Kunden, dass sie die Sättel bei uns kaufen. Die Ergonomieberatung, die Anpassung und der Service sind Dienstleistungen, die sie selbst ihren Kunden auf eigene Rechnung anbieten. Wir als Hersteller verdienen nur am Produktverkauf. Natürlich achten wir darauf, dass die Partner gemäß unseren Prinzipien und Werten handeln und dass immer das Wohl von Reiterin und Pferd im Vordergrund steht. Das ist für uns die Basis der Zusammenarbeit. Wenn diese nicht mehr gegeben ist, müssen wir uns von dem jeweiligen Partner trennen – selbst wenn er verkäuferisch sehr erfolgreich ist. Denn wenn Endkunden mit einem Partner unzufrieden sind und er sie nicht richtig betreut, fällt das immer auf uns als Hersteller zurück.“ Von der Ingenieurin zur „Pferde und Sattel Ergonomin“ Grundsätzlich, so Angelika Schleese, könne so ziemlich jeder Interessierte Partner werden, der die entsprechenden Voraussetzungen mitbringt. „Wir haben sogar eine Ingenieurin und eine Architektin in unserem Netzwerk. Sie haben den technischen Sachverstand und den Blick fürs Detail. Sie sehen es sofort, wenn eine Reiterin schief sitzt oder das Pferd durch den Sattel in seiner Bewegungsfreiheit beeinträchtigt wird.“ Die Liebe zum Pferd und die Begeisterung für das Reiten ist in den meisten Fällen – privat oder berufsbedingt – vorhanden. Doch auch da gibt es Ausnahmen: „Ein Partner kommt aus der Metallverarbeitung, er hatte noch nie etwas mit Pferden zu tun – und ist über seine Freundin auf uns aufmerksam geworden.“ Da die Partner selbstständig sind, kommt bei der Eignungsfrage auch das Unternehmerische hinzu: „Auch dazu muss jemand in der Lage sein: sich selbst zu führen, ein Geschäft aufzubauen und zu managen. Was das Unternehmerische und den Vertrieb anbelangt, sind wir gerade dabei, unsere Partner stärker zu unterstützen. Gerade in Sachen Organisation ist der Bedarf groß“, so die Geschäftsführerin. Foto Mitte: Jochen Schleese bei der Sattelanpassung (Fotos: ©Schleese)
Kontakte und Netzwerke Zu ihrem speziellen Vertriebskonzept ist Angelika Schleese sozusagen im zweiten Anlauf gekommen: „Zunächst hatten wir über unsere Akademie mit der Deutschen Reitschule zusammengearbeitet, das heißt, wir haben die Berufsausbilder der Reitlehrer ausgebildet. Beide Zielgruppen – sowohl Ausbilder als auch Reitlehrer – wären für uns gute Multiplikatoren und Vertriebspartner gewesen – doch den Verantwortlichen gefiel diese Idee nicht, sie wollten nicht selbst verkaufen, sondern markenunabhängig bleiben. Von daher suchte ich nach anderen Möglichkeiten, ein Partnernetzwerk aufzubauen.“ Das ist ihr über Kurse gelungen, die sie deutschlandweit organisierte: „Zielgruppen waren alle, die in irgendeiner Weise etwas mit Pferd oder Reiten zu tun haben, also Tierärzte, Tier-Physiotherapeuten, Reiter, Reitlehrer, aber auch Sattler. Sie alle haben gemeinsam, dass ihnen das Tierwohl am Herzen liegt. Aus diesem Konzept heraus ist die Nachfrage gestiegen und wir konnten unser Partnernetzwerk ausbauen. So ist es uns auch gut gelungen, überhaupt Menschen auf eine neue berufliche Perspektive, die wir ihnen bieten können, aufmerksam zu machen. Genau das wollen wir jetzt über den digitalen Weg fortsetzen, den wir mit den Online-Stellenanzeigen eingeschlagen haben. Es gibt so viele Menschen, die mit ihrem Job unzufrieden sind und darüber nachdenken, etwas ganz anderes zu machen oder gar den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Sie wollen wir jetzt verstärkt erreichen.“ Digitale Schulung und Beratung In Zeiten von Corona stellt sich generell die Frage nach den Digitalisierungsmöglichkeiten – nicht nur im Recruiting, sondern auch in der Ausbildung und im Vertrieb. „Bei den Schulungen konnten wir den theoretischen Teil vollständig digitalisieren, über Videos lassen sich die Inhalte genauso darstellen wie im Präsenz-Seminar. Irgendwann allerdings muss das Gelernte praktisch umgesetzt werden. Für die Arbeit direkt am Pferd gibt es keinen digitalen Ersatz, der muss real stattfinden“, sagt Angelika Schleese. Ähnlich ist es mit der Beratung der Reiterinnen durch die Ergonomen: „Den richtigen Sattel zu finden und anschließend zu bestellen, geht auch digital. Natürlich vorausgesetzt, dass die Kundin richtig misst, doch dazu kann sie der Partner digital anleiten. Auch das Probereiten lässt sich digital aufnehmen und kommentieren.“ Während des Lockdowns gab es schließlich doch noch eine Möglichkeit des persönlichen Kontakts: „Viele Partner haben sich mit den Kunden draußen im Freien getroffen, zu zweit war das ja erlaubt. Insgesamt hatten wir keine großen Umsatzeinbrüche, wir waren auf Schlimmeres gefasst“, so die Geschäftsführerin. Händler als Umsatzbringer Ganz auf Händler kann und will Schleese allerdings nicht verzichten: „Da wir vom Produktverkauf leben, brauchen wir entsprechende Verkaufszahlen. Deshalb sind wir hier einen Kompromiss eingegangen und arbeiten seit einiger Zeit mit Händlern zusammen, die ein eher hochpreisiges Sortiment haben und denen es nicht rein um den schnellen Verkauf geht, sondern eben auch um Beratungsqualität und Kundenzufriedenheit.“ Einige Händler arbeiten mit zertifizierten Schleese-Partnern zusammen oder sind an einer solchen Partnerschaft interessiert: „Der Händler selbst kann diesen Service allein meist nicht leisten, doch über unsere Partner kann er ihn mitanbieten und so wiederum von dessen Kontakten profitieren“, so Angelika Schleese. Vernetzung und gegenseitige Unterstützung wird auch bei den „Pferde und Sattel Ergonomen“ untereinander großgeschrieben: „Viele Partner stehen in engem Kontakt, tauschen sich aus und unterstützen sich gegenseitig in schwierigen Fragen. Diesen Austausch im Netzwerk fördern und unterstützen wir auch durch unsere Veranstaltungen in der Akademie“, sagt Angelika Schleese. Im Vordergrund stehe immer die gemeinsame Sache, für die sich alle engagieren – das Wohl von Mensch und Tier. www.schleese-sattel.de |