Lars Schäfer
Lars Schäfer ist Verkaufs- und Kommunikationstrainer. Das Emotionale Verkaufen ist sein Spezialgebiet, nach dem Motto „Einfach mal Mensch sein.“
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Die Chancen des Einzelhandels
Wie die Zukunft des stationären Einzelhandels aussieht – und ob es überhaupt eine gibt – darüber wurde schon viel diskutiert. Inwieweit Kunden lieber stationär oder online kaufen und welche Rolle der Faktor Mensch dabei spielt, habe ich den Verkaufstrainer Lars Schäfer gefragt. Sein Spezialthema „Emotionales Verkaufen“ spielt auch in diesem Kontext eine wichtige Rolle.
Herr Schäfer, wie beurteilen Sie die aktuelle Situation und die Zukunftschancen des stationären Einzelhandels?
Ich bin tatsächlich davon überzeugt, dass der stationäre Einzelhandel eine Zukunft hat. Allerdings nur, wenn er sich weiterentwickelt und der Digitalisierung und dem veränderten Kauf- und Informationsverhalten Rechnung trägt. Wer nur passiv zuschaut und sich nicht konstruktiv mit den neuen digitalen Möglichkeiten auseinandersetzt, dem laufen die Kunden weg. Der Einzelhandel braucht dringend Omnichannel-Konzepte, bei denen online und stationär miteinander verbunden werden. Dieses „Entweder – oder“ funktioniert nicht, weil es nicht dem Kundenverhalten gerecht wird. Ich habe mir gerade die neueste Studie von Salesforce zum Konsumentenverhalten angeschaut. Darin steht, dass 86 Prozent der Konsumenten hybrid kaufen, also sowohl online als auch beim stationären Händler. Das heißt ganz klar im Umkehrschluss: Wer nur auf einem Kanal vertreten ist, der verliert Kunden, wenn sie den Kanal wechseln. Ist es denn nicht möglich, Kunden an ein Ladenlokal zu binden? Natürlich kann man durch Service, durch gut geschultes freundliches und aufmerksames Personal und ein ansprechend gestaltetes Ladenlokal Kunden binden. Problematisch wird es dann, wenn das gewünschte Produkt nicht verfügbar ist. Gerade die jüngeren Konsumenten haben da null Toleranz und möchten alles sofort – Stichwort „digitale Sofortness“. Vielleicht bietet der Händler an, das Produkt zu bestellen – doch das dauert und der Kunde muss wiederkommen, um die Ware abzuholen. Wer nicht die Möglichkeit hat, noch im Beisein des Kunden einen Bestellprozess im Laden auszulösen und die Ware direkt nach Hause zu liefern, der hat den Kunden an einen Online-Shop verloren. Das heißt, es braucht jeder Einzelhändler auch einen Online-Shop? Zumindest die Möglichkeit, digital und ohne Verzögerung Produkte zu bestellen und zu liefern. Allerdings erreicht man dadurch zunächst nur die Kunden, die auch ins Geschäft kommen. Es sei denn, sie wissen davon. Von daher ist ein Online-Shop, verbunden mit einem guten Online- und Suchmaschinenmarketing, auf jeden Fall von Vorteil. Am besten sind Marketingmaßnahmen, die alle Kanäle und Kontaktpunkte miteinander verknüpfen. Also zum Beispiel die Möglichkeit, online auf der Webseite die stationäre Verfügbarkeit von Produkten abzufragen und entweder für die Abholung im Laden zu reservieren oder gleich nach Hause zu bestellen. Digitale Gutscheine, die sowohl online als auch im Laden eingelöst werden können, funktionieren auch ganz gut. Man muss sich einfach daran gewöhnen, und das fällt vielen Händlern noch schwer, permanent in und zwischen den Kanälen unterwegs zu sein. Und man muss auch etwas dafür tun, damit Kunden, wenn sie online kaufen, das im eigenen Shop tun und nicht auf Amazon und Co. Mich hat mal ein Buchhändler darauf hingewiesen, dass man bei ihm auch online kaufen könne und alle Bücher dort verfügbar seien… Genau, das ist wieder eine Frage der Kommunikation. Man darf nicht darauf warten, dass Kunden von sich aus in den eigenen Online-Shop finden, sondern man muss sie auch aktiv dorthin führen. Die Salesforce-Studie sagt übrigens auch, dass sich gerade die jüngeren Kunden, also die Generation Z, direkt im Laden per Smartphone über die dort angebotenen Produkte informieren. Clevere Händler nutzen dieses Verhalten, indem sie zum Beispiel QR-Codes installieren, die nach dem Scannen direkt zu ihrer Online-Präsenz führen. Das heißt, der Einzelhandel muss sich noch viel mehr auf die Bedürfnisse der Konsumenten und der nachwachsenden Generationen einstellen? Auf jeden Fall. Die meisten Einzelhändler haben viel zu lange ohnmächtig und untätig zugeschaut. Wer das weiterhin tut und nichts unternimmt, der wird tatsächlich Opfer der Digitalisierung. Wer aber die Chancen sieht und die vielen technischen Möglichkeiten nutzt, online und offline zu verknüpfen, bei dem werden die Kunden auch weiterhin kaufen – sei es nun stationär oder im Online-Shop. Kommen wir doch mal zum emotionalen Verkaufen und dem Einkaufserlebnis. Welche Rolle spielt im digitalen Zeitalter und insbesondere im Einzelhandel der Faktor Mensch? Eine ganz entscheidende. Und das ist leider auch ein wichtiger Grund, warum es in vielen Einzelhandelsgeschäften gar nicht gut läuft. Da finden Sie unmotivierte, schlecht bezahlte und gelangweilte Mitarbeiter, die frustriert sind, weil so wenig Kunden kommen. Kommt dann doch mal einer vorbei, spürt er die schlechte Stimmung. Das macht wirklich keine Kauflaune und kompetente Beratung ist auch Fehlanzeige. Liegt es wirklich nur an den Mitarbeitern? Nicht ausschließlich, aber zu einem großen Teil. Die Ladengestaltung und Inszenierung müssen natürlich auch stimmen, ganz klar. Ein einladendes Ambiente, das Lust zum Hereinkommen, Anschauen und Ausprobieren macht, ist wichtig, denn sonst kommt wirklich keiner mehr. Aber ich erlebe es schon sehr häufig, dass viele Verkäufer einfach nicht wissen, wie sie in den Verkaufsdialog kommen. Manche beraten ganz gut, aber sie stellen keine Abschlussfrage. Mir selbst ist das mal passiert, das war so irritierend, dass ich den Verkäufer gefragt habe, ob er mir jetzt das Produkt verkaufen möchte oder nicht. Da musste der erstmal überlegen. Sowas darf einfach nicht sein, andere Kunden an meiner Stelle wären schon gegangen. Und der Verkaufsdialog? Da muss man heute dem Kunden ganz andere Fragen stellen als früher. Es ist alles viel komplexer geworden. Wenn man heute jemandem einen Fernseher verkauft, dann muss man seine kompletten Nutzungsgewohnheiten abfragen und natürlich auch die der anderen Personen im Haushalt. Man muss wissen, ob jemand Netflix nutzt und so weiter. Das gab es früher alles nicht. Und so ist es mit anderen Produkten auch: Ein guter Verkäufer ist empathisch, er denkt sich in seinen Kunden und seine Gewohnheiten hinein, er stellt sich vor, wie er das Produkt benutzt. Und er möchte sichergehen, dass er ihm nichts Falsches verkauft, deshalb fragt er so genau nach. Was ist mit dem Spaß am Verkaufen und der Motivation? Wer wirklich Interesse am Kunden hat und ihm nicht einfach nur etwas verkaufen will, der freut sich auch, wenn er ihm zu einem guten Kauf verholfen hat. Im Einzelhandel ist es mit monetären Anreizfaktoren anders als im B2B und im Außendienst. Einzelprovisionen gibt es selten und sie sind auch häufig kontraproduktiv. Im schlimmsten Fall führen sie dazu, dass sich mehrere Verkäufer gleichzeitig auf einen Kunden stürzen. Ich halte es aber für eine gute Lösung, Teamprovisionen einzuführen. Da profitieren die Schlechten von den Guten… Das ist das Merkmal von Teams… aber Spaß beiseite, Teamprovisionen sind gerade deshalb ein Anreiz, weil sie an die Verantwortung eines jeden einzelnen appellieren. Wenn man sich bewusst ist, dass man mit schlechter Leistung nicht nur sich selbst schadet, sondern dem ganzen Team, hat das schon eine Wirkung auf das Verhalten und die innere Einstellung. Man ist mitverantwortlich und kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Was ist Ihre wichtigste Botschaft, die Sie Einzelhändlern und Verkäufern im Einzelhandel mit auf den Weg geben möchten? Sich auf seine Stärken besinnen. Neugierig bleiben, mutig sein und mitgestalten, statt nur zuzuschauen. www.emotionalesverkaufen.de
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