Peter Mohr
Peter Mohr hat sich als Präsentationstrainer ausschließlich auf das Thema „Erfolgreiches Präsentieren“ spezialisiert. Seit 1995 trainiert und coacht er Kunden in diesem Bereich.
|
„Online-Präsentationen brauchen Dramatik“
Online-Präsentationen sind in den vergangenen Wochen zur Selbstverständlichkeit geworden – notgedrungen. Mit Peter Mohr, der speziell zu Präsentationsthemen trainiert und coacht, habe ich darüber gesprochen, welche Herausforderungen damit verbunden sind und was bei einer Online-Präsentation zu beachten ist. Und auch, welche Trends und Entwicklungen er bei Präsentationen beobachtet.
Herr Mohr, online zu präsentieren ist aktueller denn je. Binnen kürzester Zeit haben Unternehmen technisch aufgerüstet, Mitarbeiter eingearbeitet und einen Gutteil der Kommunikation digitalisiert – auch die Präsentationen. Von daher denke ich, dass auch weiterhin viel öfter online präsentiert wird. Was meinen Sie?
Ja, das denke ich auch. Es wird immer mehr ein Thema werden, auch unabhängig von Corona. Und ich glaube auch, dass Online-Präsentationen nach Corona auf einem höheren Level bleiben werden, als sie es eigentlich müssten, denn man hat sich daran gewöhnt und weiß die Vorteile zu schätzen. Bislang war die Hürde, online zu präsentieren, noch hoch – die wurde jetzt zwangsweise niedergerissen. Online-Präsentationen sind dadurch schneller zum Standard geworden als unter den bisherigen Umständen. Wird es dann kaum noch Live-Präsentationen geben? Meine Erfahrung ist: Je wichtiger die eigentliche Präsentation ist, also um je mehr Geld es dabei geht, umso stärker sollte man eine Live-Präsentation anstreben. Gerade wenn es um große Projekte, hochpreisige, erklärungsbedürftige Produkte und Dienstleistungen geht, würde ich immer versuchen, live zu präsentieren. Bei kleineren, einfachen Produkten und Lösungen genügt meist eine Online-Präsentation. Das ist auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Ich unterscheide außerdem zwischen Erstkontakt und Folgekontakt: Bei Folgekontakten geht es häufig um Statusberichte oder Folgepräsentationen. Der Kunde hat vielleicht schon gekauft und es geht um weitere Planungen – da genügt ein Online-Meeting, eine virtuelle Präsentation. Bei Erstkontakten und wie gesagt bei großen Aufträgen würde ich immer den Live-Kontakt bevorzugen. Damit kann man dem Ganzen einen feierlichen und sehr hochwertigen Charakter geben. Ist das dann eher ein psychologischer Effekt? Werde ich als Präsentierender wichtiger genommen und bekomme ich mehr Aufmerksamkeit, wenn ich mir die Zeit nehme, zum Kunden extra hinzufahren? Ja, das denke ich. Ich kann auch einen USP zu den Mitbewerbern aufbauen, indem ich mich durch meine Live-Präsentation von ihnen abhebe, selbst wenn der Kunde ursprünglich nur um eine Online-Präsentation gebeten hat. Gerade im Verkauf ist der persönliche Kontakt nicht zu unterschätzen. Wir Menschen werden immer technischer und agieren online – doch in wichtigen Situationen, in denen es darauf ankommt, wird es eben doch persönlich. Ich merke das auch an mir selbst: Anfragen, auf die wir mit einem Rückruf reagieren, haben eine deutlich höhere Umwandlungsquote als Anfragen, die wir nur per Mail beantworten. Sich persönlich zu treffen hat nochmal eine höhere Qualität. Wobei es eben immer darauf ankommt, was ich präsentiere und wer mir gegenübersitzt. Bei Fachleuten, gerade im technischen Bereich und in späteren Phasen, sind Online-Präsentationen jederzeit möglich. Wie sieht es denn mit der technischen Umsetzung aus, was muss man da als Präsentator beachten? Ist es wichtig, am Bildschirm sichtbar zu sein? Wenn jemand viele Folien zeigt, verschwindet er ja von der Bildfläche oder ist nur noch klein zu sehen… Wie bei Live-Präsentationen empfehle ich auch hier, erstmal eine gewisse Zeit allein ohne Folie und Einblendung als Person zu sprechen und zu wirken. Das gilt natürlich auch für die Fragerunde und den Abschluss der Präsentation. Ich habe schon Präsentationen gesehen, da wurden von der ersten Sekunde an Charts gezeigt, die präsentierende Person war überhaupt nicht sichtbar. Das sollte man unbedingt vermeiden, und in einer Verkaufspräsentation sowieso. Es ist auch sinnvoll, zwischendurch immer mal wieder zu wechseln zwischen Gesicht und Visualisierung. So fällt es leichter, sich die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu erhalten. Wenn eine Präsentation sehr technisch, sehr produktbezogen ist, werden es vermutlich mehr Folien sein, die gezeigt werden. Geht es mehr darum, das Vertrauen der Entscheider zu gewinnen, brauche ich als Präsentator eine gute Beziehungsebene und muss mein Gegenüber auch sehen können. Wie lässt sich das praktisch lösen? Die Phase, in der man sich persönlich sieht, würde ich relativ lang gestalten, das gilt übrigens auch für „normale“ Präsentationen. Ein Präsentator darf sich nie durch die Powerpoint-Präsentation beiseitedrängen lassen. Bei Online-Präsentationen habe ich schon ganz interessante Lösungen gesehen, allerdings braucht man dazu zwei Kameras und muss sich das technisch einrichten: Dann kann man die Situation eines Nachrichtensprechers simulieren. Eine Kamera wird etwas weiter eingestellt, so als ob sie den Präsentator filmen würde, wie er am Konferenztisch sitzt. Dadurch wirkt es so, als säße er dem Publikum gegenüber und dazwischen ist nur eine Glasscheibe, also der Bildschirm. Zwischendurch kann man dann auf die zweite Kamera, also die Naheinstellung, umschalten und natürlich auch auf die Bildschirmpräsentation, die eingeblendet wird. Das Ganze lässt sich noch toppen, indem man ein, zwei Meter hinter sich einen Flipchart stehen hat – darauf kann man dann während der Präsentation auch noch zurückgreifen, dadurch wird die Präsentation abwechslungsreicher und lebendiger. Allerdings geht das nicht in einem normalen Büro. Aber in einem kleinen Besprechungsraum von zehn Quadratmetern ist so etwas durchaus möglich. Sie hatten in einem früheren Interview mal gesagt, dass Präsentationen immer stärker Workshop-Charakter gewinnen. Wie ist das mit Online-Präsentationen – überwiegen da die Monologe? Möglich ist beides, das eine ist nicht besser oder schlechter als das andere. Ich glaube, es gibt eine leichte Tendenz zu längeren monologischen Phasen, zumindest in den nächsten ein bis drei Jahren. Es ist auch nicht sinnvoll, das Publikum auf Gedeih und Verderb in die Interaktion zu bringen – sondern natürlich nur da, wo es wirklich sinnvoll ist. Bei Online-Präsentationen empfehle ich, alle acht bis neun Minuten ein bis zwei Minuten lang das Publikum mit einzubeziehen. Ich kann eine Umfrage machen, eine Frage in den Raum werfen – entweder akustisch oder per Chat. Allerdings wirklich nur, wenn sich das inhaltlich auch anbietet – keinesfalls stupide, nur damit die Regel eingehalten wird. Wie ist es denn mit Zwischenfragen? Ist es sinnvoll, sie zwischendurch zu beantworten oder besser im Anschluss an die Präsentation? Das kommt darauf an, wie man das organisiert und ob noch eine zweite Person assistiert, die auch den Chat betreut. Wenn möglich, würde ich das immer so handhaben: Während ich selbst präsentiere, kann mein Assistent Fragen im Chat beantworten oder auch moderieren im Sinne von: „Bitte noch einen Moment Geduld, darauf gehen wir gleich noch näher ein.“ Oder es werden Zwischenfragen gesammelt und im Anschluss an einen Themenabschnitt beantwortet. Bei akustischen Zwischenfragen ist es ohnehin besser, die Teilnehmer für die Zeit, in der man bis zur nächsten Interaktion präsentiert, stummzuschalten und dann die Mikrophone für ein, zwei Minuten zu öffnen. So lässt sich die Interaktion sehr gut steuern. Ich höre sehr häufig, dass es so anstrengend sei, die ganze Zeit am Bildschirm zu sitzen und einen Video-Call nach dem anderen zu haben. Was heißt das nun für Online-Präsentationen? Wie lassen sie sich möglichst „ermüdungsfrei“ gestalten? Es gibt ohnehin bei Präsentationen die Tendenz, dass sie kürzer werden – bei Online-Präsentationen nochmal deutlich mehr. Das heißt, der Präsentierende muss sich auf die wesentlichen Punkte konzentrieren und prägnanter zusammenfassen. Auf der anderen Seite beobachte ich eine höhere Quote an Visualisierung. Da halte ich es für sehr wichtig, dass die Visualisierungen interessanter und spannender sind als bisher und die Animationen noch eine Stufe dramatischer als bei Live-Präsentationen. Was verstehen Sie darunter? Bisher hat der Präsentator häufig den Chart geöffnet, sodass schon alle Bullets sichtbar waren. Das nimmt die Spannung, die Leute hören nicht mehr richtig zu. Mit dramatisch meine ich, mehr Bewegung in die Animation hineinzubringen. Denn die Schwelle, abgelenkt zu werden, ist bei Online-Präsentationen höher. Das ist schon ein Nachteil. Insgesamt muss man mehr planen, vorab durchdenken und sich von der Dramaturgie her gut überlegen, wo und wie man das Publikum einbezieht. Man muss auch mehr loipen wie beim Langlauf: Bevor man sicher in der Spur ist, braucht es mehr Aufwand. Also nicht nur eine Generalprobe, sondern am besten zwei Proben, bevor es ernst wird. Dafür können sich bei Online-Präsentationen die Zuschauer kaum gegenseitig stören oder ablenken, sie haben ja zu wenig Kontakt… Das stimmt, die Schwelle, sich von anderen Teilnehmern ablenken zu lassen, ist deutlich geringer als bei Live-Präsentationen. Allerdings ist unter dem Strich die Schwelle, unaufmerksam zu werden, insgesamt deutlich höher als bei Live-Präsentationen, vor allem wenn die Teilnehmer vom Home-Office aus zugeschaltet sind. Wobei es auch Situationen gibt, in denen die Teilnehmer alle in einem Raum sitzen, das wird nach Corona sicherlich öfters so sein. In diesem Fall ist die Ablenkungsschwelle der Teilnehmer geringer, als wenn sie einzeln zuhören. Bei einer Gruppenteilnahme ist es besonders wirkungsvoll, die Idee mit der Nachrichtensprecher-Simulation umzusetzen. Damit lässt sich fast schon eine reale Live-Präsentation vor Publikum nachbilden. www.praesentieren-mit-erfolg.de
|