Miriam Hohenfeldt
„Handeln mit Begeisterung“ ist das
Motto von Vertriebstrainerin und Coach Miriam Hohenfeldt. |
Führung in digitalen Zeiten
Vertriebsleiter können heute weitgehend digital operieren und die persönliche Kommunikation mit ihren Verkäufern auf ein Minimum beschränken. Wie sich das in der Praxis auswirkt (oder auswirken kann), dazu habe ich mich mit der Vertriebstrainerin Miriam Hohenfeldt ausgetauscht. Sie hat eine klare Haltung zu den Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung in der Führung – und ganz besonders im Vertrieb.
Rein technisch gesehen wäre es für Vertriebsleiter durchaus möglich, ihre Mitarbeiter überhaupt nicht mehr persönlich zu treffen. So gibt es genügend digitale Tools, um mit ihnen zu kommunizieren – schriftlich, per Sprachnachricht oder mit Bild und Ton in Echtzeit. Solche Tools können sehr nützlich sein, vor allem dann, wenn man gerade viele Kilometer voneinander entfernt agiert. Auch ist es unbestritten ein Vorteil, Informationen jederzeit digital abrufen zu können und Daten ohne Zeitverlust von unterwegs aus ins System einzupflegen. Wo liegt also das Problem?
Der Kontakt reißt ab „Das Problem liegt darin, dass Führungskräfte zunehmend den Kontakt zu ihren Mitarbeitern verlieren, wenn sie nicht mehr mit ihnen persönlich sprechen, sondern nur noch im Kurznachrichten-Stil Anweisungen geben und Informationen verbreiten“, erklärt Miriam Hohenfeldt. „Ich habe schon Vertriebsleiter erlebt, die praktisch gar nicht mehr mit ihren Verkäufern sprechen, auch nicht per Videokonferenz. Alles läuft nur noch digital, und zwar schriftlich. Die Tendenz ist ja ohnehin, dass Textnachrichten immer kürzer und knapper werden. Auf Grußformeln wird in WhatsApp-Nachrichten und oft auch in Mails häufig gänzlich verzichtet. Das ist eine Entwicklung, die ich nicht gutheiße. Wenn mir mein Mitarbeiter nicht einmal mehr so viel wert ist, dass ich ihm einen guten Morgen wünsche oder mich freundlich von ihm verabschiede, wird er sich irgendwann von mir verabschieden, und zwar für immer. Der Grund, warum Mitarbeiter ein Unternehmen verlassen, liegt in den meisten Fällen nicht in der Bezahlung, sondern im zwischenmenschlichen Bereich.“ Lob und Anerkennung Mit solch einer stark reduzierten Kommunikation könne man nicht richtig führen, betont Hohenfeldt. Denn zur Aufgabe einer Führungskraft gehört es auch, persönlich mit ihren Mitarbeitern zu sprechen, ihnen Lob und Anerkennung geben, wenn sie etwas gut gemacht haben, und ihnen genauso zu sagen, wenn an ihrer Arbeit oder ihrem Verhalten etwas nicht in Ordnung ist. Das, was in einem persönlichen Gespräch alles wahrnehmbar ist und mitschwingt, lässt sich niemals in Kurznachrichten ausdrücken. Darin geht nicht nur sehr viel verloren, sondern es besteht auch die Gefahr, dass man sich missversteht bzw. Dinge hineininterpretiert, die der andere überhaupt nicht im Sinn gehabt hat. Digitaler Aktionismus Eine weitere Entwicklung, die Miriam Hohenfeldt kritisch sieht: „Aus Angst, digital hinterher zu hinken, entsteht Aktionismus. Es werden sofort die neuesten Tools eingeführt, ohne zu hinterfragen, inwieweit sie dem eigenen Unternehmen und der Mitarbeiterführung hilfreich sind.“ Dies beginne schon bei den CRM-Systemen: „Wenn ich da als Verkäufer keine Möglichkeit habe, genau das hineinzuschreiben, was ich soeben über den Kunden erfahren habe und dokumentieren möchte, dann erfüllen diese Tools ihren Zweck nicht.“ Noch schlimmer sei es häufig bei Tools zur Mitarbeiterbefragung: „Da gibt es oft so wenig Spielraum, dass keine ehrlichen bzw. differenzierten und aussagekräftigen Antworten erfasst werden könnten. Da wäre es vielleicht besser, sich auch mal eigene Notizen zu machen und sich ganz einfach anzuhören, was der Verkäufer mir mitteilen möchte – doch das ist nicht vorgesehen.“ Erst prüfen, dann entscheiden Um von den immer neuen digitalen Möglichkeiten profitieren zu können und sich nicht von ihnen versklaven zu lassen, empfiehlt Miriam Hohenfeldt, sich die eigenen Ziele vor Augen zu führen und sich anschließend zu fragen, ob die jeweilige Anwendung zur Zielerreichung wirklich nützlich ist. „Dann kann ich abwägen: Hilft mir zum Beispiel die automatisierte Mitarbeiterbefragung, meine Verkäufer und ihre Motive besser zu verstehen? Erhalte ich dadurch aussagekräftige Profile, die mich in meiner Führungsarbeit unterstützen? Wenn ja, dann ist es gut. Wenn nein, dann brauche ich eine andere Lösung. Vielleicht auch einfach nur ein persönliches Gespräch.“ Genauso verhalte es sich mit allen anderen technischen Neuerungen: „Wenn ich merke, dass ich dadurch immer weniger von meinen Verkäufern mitbekomme und überhaupt nicht mehr weiß, wie es bei ihnen läuft, sondern nur noch Zahlen und Daten sehe, dann muss ich etwas ändern.“ Das muss nicht heißen, dass die Technologie an sich unbrauchbar ist – vielleicht wird sie nur nicht optimal eingesetzt bzw. als Ersatz für etwas genommen, das sich nicht ersetzen lässt: „Es wäre zum Beispiel gut, wenigstens miteinander zu telefonieren, statt unpersönliche Kurznachrichten an 20 Leute gleichzeitig zu verschicken“, so Hohenfeldt. www.network-angel.de
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