Lutz Herkenrath
Als Schauspieler erreichte Lutz Herkenrath vor allem durch die Fernsehserie „Ritas Welt“ einen hohen Bekanntheitsgrad. Sein Wissen und seine Erfahrungen gibt er als Redner und Coach weiter.
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Die Krise führt zur Sinnfrage Für Lutz Herkenrath ist mit der Coronakrise eine Situation eingetreten, die er sich niemals hätte vorstellen können. Denn als Schauspieler, Vortragsredner und Trainer wird er so schnell nicht wieder auf der Bühne stehen. Zumindest nicht vor Live-Publikum. Wie er mit dieser neuen Realität umgeht, hat er mir im Interview erzählt. Und auch, warum die Sinnfrage jetzt ganz besonders in den Vordergrund rückt.
Herr Herkenrath, die Krise zwingt uns geradezu in die digitale Welt. Vorträge, Seminare und Lernangebote werden ins Netz verlegt, Meetings und Kundengespräche finden neuerdings am Bildschirm statt. Digitalisieren Sie jetzt auch Ihr Angebot? So schnell werden ja Live-Veranstaltungen nicht wieder stattfinden können.
So ist es. Die ganzen Live-Vorträge sind abgesagt und wahrscheinlich können sie auch im Herbst noch nicht stattfinden. Ich rechne bereits jetzt damit, dass das erst wieder im nächsten Frühjahr möglich sein wird, dies haben mir etliche Kunden schon signalisiert. Im Moment schiebt sich alles nach hinten, damit wird mir ein ganzes Jahr fehlen. Die Vorträge sind meine Hauptbaustelle, mit ihnen versuche ich, in den Online-Bereich zu gehen. Neben technischen Herausforderungen spielt die Sicherheit im Moment eine große Rolle, Zoom steht ja momentan in der Kritik. Offensichtlich sind eben nicht alle Kanäle wirklich sicher. Hinzu kommt, dass sich nicht alles digitalisieren lässt. Ein Präsenz-Seminar beispielsweise, inklusive Seminaratmosphäre, mit körperlichen Übungen wie Rollenspielen – das kann ich nicht online genauso nachbilden. Mit dem Blickkontakt und der Interaktion wird es auch schwierig, wenn viele Teilnehmer zugeschaltet sind… Genau, ich kann am Bildschirm nicht einfach so in die Runde schauen wie im Präsenzseminar. Geschweige denn, jemanden spontan nach vorne bitten. Am Bildschirm ist es generell viel schwieriger, die Teilnehmer persönlich zu erreichen, sie richtig anzusprechen und abzuholen. Es fehlt diese unmittelbare Verbindung, die man nur hat, wenn man sich persönlich begegnet. Dass Sie sich einmal von heute auf morgen mit solchen Dingen auseinandersetzen müssen, hätten Sie sich vermutlich auch nicht vorstellen können… Corona verändert alles. Wenn mir jemand vor drei Monaten gesagt hätte, dass eine Situation eintreten würde, wie wir sie jetzt haben, dann hätte ich gesagt: „Hör auf zu träumen. Wie soll das denn gehen?“ – Jetzt haben wir diese Situation. Und obwohl sie da ist, sprengt sie jegliche Vorstellungskraft. Kein Stein bleibt auf dem anderen. Allerdings gibt es für mich auch positive Zeichen. Zum Beispiel, dass die Führenden, die Regierenden ganz offen zugeben müssen, dass sie nicht wissen, was kommt. Das gab es vorher so noch nicht: Da wurde oft so getan, als wisse man alles. Jetzt wird auch in der Politik offener mit Nichtwissen umgegangen, das finde ich positiv. Die Führungskräfte und Firmenchefs sind ja in einer vergleichbaren Situation. Sie wissen oft nicht wirklich, was sie ihren Mitarbeitern an Informationen geben können. Und oft auch nicht, ob sie die Leute überhaupt weiterbeschäftigen können. Das betrifft mich auch! Ich habe meine drei Mitarbeiter aktuell auf 50 Prozent Kurzarbeit gesetzt. Ich sage ihnen, dass ich nicht weiß, wie es weitergeht und dass ich deshalb ziemlich schlecht schlafe. Für mich gibt es nur eine Option, und die ist, ehrlich zu sein und nicht zu versuchen, den Mitarbeitern irgendetwas vorzuspielen. Es käme niemand auf die Idee, mich deswegen als führungsschwach zu bezeichnen. Ganz im Gegenteil, das macht mich authentisch und glaubwürdig. Ich finde es unverantwortlich, sich als Führungskraft hinzustellen und so zu tun, als wüsste man, wie es weitergeht und man hätte die Lage voll im Griff. Das schürt erst recht Unsicherheit und Ängste. Die Angst ist allgegenwärtig… … und sie wird durch die Berichterstattung in den Medien weiter geschürt. Ich informiere mich täglich, weil ich das für wichtig halte. Doch im Moment muss man aufpassen, dass sich – ich nenne das so – nicht die Angstkapsel öffnet und den ganzen Körper mit der Angst flutet. Es braucht doch nur ein Nachrichtensprecher zu sagen, dass irgendein Wirtschaftsweiser berichtet hat, was die Krise für einen Schaden anrichtet. Kaum hat man das gehört, ist der gesamte Körper in heller Aufregung und im völligen Angstzustand. Wenn mich die Angst überkommt, habe ich nur zwei Möglichkeiten. Entweder, ich verliere mich haltlos darin und ertrinke im Strudel, oder ich beruhige mich und besinne mich auf das, was wesentlich ist: Kann ich atmen? Kann ich sehen? Kann ich gehen? Wer in unmittelbarer Existenznot ist, seinen Arbeitsplatz verliert oder seinen Laden schließen muss, bei dem ist es doch verständlich, wenn er auch mal in Angst und Panik gerät… Natürlich, in Panik zu geraten ist eine ganz normale Reaktion und die darf man haben. Nur sollte man sich seiner Panik voll bewusst sein und diesen Zustand auch wieder ändern können. Mich beeindruckt die Gelassenheit vieler älterer Menschen und wie entspannt sie mit der jetzigen Situation umgehen. Sie haben schon viel Schlimmeres erlebt – nämlich den zweiten Weltkrieg. Doch sie haben auch die Erfahrung gemacht, dass es danach wieder aufwärts ging. Dass sie das erfahren haben – die absolute Katastrophe und den Neubeginn – lässt sie eine andere Haltung einnehmen. Überhaupt stellt sich mit der Krise auch wieder die Frage nach dem Sinn. Was wir tun, wofür wir es tun, was uns motiviert und antreibt – das wird jetzt wieder wichtig. Manchmal regen wir uns über Kleinigkeiten auf, zum Beispiel wenn der Lieblingsjoghurt nicht im Supermarkt-Regal steht. Solche Sachen relativieren sich ganz schnell. In jeder Krise drängen sich die wesentlichen Fragen nach vorne, die im normalen Alltag verdrängt werden. Was bedeutet das jetzt konkret? Ich glaube, dass sich in der Krise jeder hinterfragen darf. Dadurch entsteht ein Prozess des Abgrenzens. Vielleicht ist jetzt sogar die Gelegenheit, sich völlig neu zu erfinden. In jedem Fall ist das die Chance, die wir jetzt haben: Jetzt können wir hinterfragen, was uns wirklich antreibt und motiviert. Wir können schauen, ob wir so weitermachen möchten wie bisher, ob unser Geschäftsmodell noch stimmt und auch, ob wir überhaupt mit den richtigen Kunden zusammenarbeiten. Vielleicht stellt man ja fest, dass gerade die Kunden, die man immer für so wichtig gehalten hat, in Wirklichkeit nur eine Nebenrolle spielen. Deren Platz können jetzt andere Kunden einnehmen, die man bislang völlig unterschätzt hat. Solche und weitere Erkenntnisse ermöglichen es uns, noch einmal zurückzugehen und den Reset-Knopf zu drücken: Jetzt können wir uns neu ausrichten und noch einmal neu beginnen. www.lutz-herkenrath.de
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