Lutz Herkenrath
Als Schauspieler erreichte Lutz Herkenrath vor allem durch die Fernsehserie „Ritas Welt“ einen hohen Bekanntheitsgrad. Sein Wissen und seine Erfahrungen gibt er als Redner und Coach weiter.
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Auf AugenhöheIn Verkaufsverhandlungen geht es nicht immer fair zu. Wer hier die Gründe ausschließlich beim Kunden und Verhandlungspartner sucht, wird nicht unbedingt weiterkommen. Ein Aspekt, bei dem es sich lohnt, genauer hinzuschauen, ist die Augenhöhe. Was es damit auf sich hat, darüber habe ich mit dem Schauspieler Lutz Herkenrath gesprochen.
Herr Herkenrath, was verstehen Sie persönlich unter Augenhöhe? Wie würden Sie diese definieren und woran kann man überhaupt erkennen, dass man sich auf Augenhöhe befindet?
Wenn ich auf Augenhöhe bin, bin ich mit meinem Gesprächspartner verbunden. Gleichzeitig bin ich bei mir selbst, bei meinem eigenen Wert. Das ist für mich Augenhöhe. Also hat sie erst einmal nichts mit Status und Ranghöhe zu tun? Natürlich begegnet man immer wieder Menschen, die einen höheren Status haben als man selbst. Das kann einschüchtern, sodass man nicht mehr bei seinem eigenen Wert ist und es eben auch nicht schafft, einen persönlichen Zugang zum anderen zu bekommen. Wenn ein Verkäufer beim Chefeinkäufer eines Großkonzerns vorstellig wird, ist das eine gewaltige Stresssituation. Es geht um viel Geld und der Chefeinkäufer ist sich seiner Macht bewusst. Wer den Auftrag unbedingt haben will oder muss und sich darauf fokussiert, für den wird es ziemlich schwierig, auf Augenhöhe zu bleiben. Da spielt natürlich auch die Angst eine entscheidende Rolle. Wenn ich Angst habe, zu versagen, hat der andere Macht über mich. Wie gelingt es denn, keine Angst zu haben? Die kann man ja nicht einfach auf Knopfdruck ausschalten. Das ist natürlich auch Typsache, welche Strategien bei wem funktionieren. Ich erzähle Ihnen mal eine kleine Anekdote aus meiner Zeit als Zivildienstleistender in einem Krankenhaus: Da war ich nicht korrekt gekleidet, ich hatte ein falsches Oberteil an – doch das wusste ich nicht, ich war völlig ahnungslos. Als mich der Chefarzt so gesehen hat, wohlgemerkt während der Visite, vor versammelter Mannschaft und den Patienten, da hat er mich angebrüllt, was mir einfällt, so herumzulaufen und ich solle gefälligst das richtige Hemd anziehen. Da habe ich die Hacken zusammengeknallt und gerufen: „Zu Befehl!“ Hahaha! Sie haben sich was getraut… In dem Raum war natürlich erstmal Totenstille, doch der Chefarzt wurde mild und freundlich. Es hat also funktioniert, und zwar deshalb, weil ich überhaupt keine Angst vor ihm hatte. Das hat der Chefarzt gemerkt. Ich hatte ihm gezeigt, dass ich sein Spiel durchschaut habe und damit waren wir auf Augenhöhe. Hätte das nicht auch schlecht ausgehen können? Er hat gemerkt, dass er mich nicht einschüchtern kann – von daher gab es keine Grundlage mehr für sein einschüchterndes Verhalten. Damit hätte er sich sogar lächerlich gemacht. Wie ließe sich das jetzt übertragen auf eine Verhandlungssituation, in welcher der Chefeinkäufer seine Macht demonstriert? Auch da kann ich zeigen, dass ich das Spiel durchschaut habe, indem ich nicht darauf eingehe. Es ist ein Spielangebot – das kann ich annehmen oder nicht. Wenn ich es ignoriere, zeige ich, dass es mich nicht beeindruckt. Mit Spielchen allein ist es aber nicht getan. Ein Verkäufer muss ja auch fachlich fit sein und ein gutes Angebot haben. Auf jeden Fall, das ist die Voraussetzung. Selbstbewusstsein, auch bezüglich des Produkts, kann ich nur haben, wenn ich es sehr gut kenne, um seine Stärken und Vorzüge weiß und mir auch sicher bin, diese entsprechend gut vermitteln zu können. Also mit anderen Worten: Die Vorbereitung ist ein ganz entscheidender Faktor, um in Verkaufsverhandlungen auf Augenhöhe zu gehen. Das ist leider auch das Problem vieler Verkäufer, wenn sie zum Beispiel meinen, ihr Produkt sei zu teuer. Damit ist Augenhöhe von vornherein ausgeschlossen. Es ist immer gut, wenn man sich klar macht, dass ja nicht nur man selbst den Auftrag braucht, sondern auch der Kunde eine Lösung. Er steht genauso unter Druck wie man selbst, auch wenn er so tut, als sei er am längeren Hebel. Sie sagten eingangs, auf Augenhöhe zu sein bedeute, eine Verbindung zum Gesprächspartner herzustellen. Wie kann ein Vertriebsmitarbeiter diese herstellen – insbesondere zu ranghöheren oder arroganten Verhandlungspartnern? Eine gut funktionierende Technik ist es, mir vorher ein paar Dinge zu überlegen, die ich mit dem Gesprächspartner gemeinsam habe. Man kann im Internet ja gut über Menschen recherchieren – vielleicht findet man irgendwo Hinweise auf Hobbys und Interessen. Gemeinsamkeiten lassen sich immer finden – vielleicht ist man auch gleich alt oder es gibt andere Überschneidungen. Das Entscheidende ist, sich wirklich die Mühe zu machen, das herauszufinden und sich mit der Person des anderen zu beschäftigen. Mir hat mal ein Verhörspezialist von der Kripo, der mit Schwerstverbrechern spricht, erzählt, dass er das vorher so macht, also er sich vor dem Verhör drei Gemeinsamkeiten sucht. Wenn er das nicht machen würde, könnte er keine Verbindung zum anderen herstellen und kaum etwas aus ihm herausbekommen. Da geht es ja vor allem um persönliche Widerstände und Barrieren. Wer möchte schon Gemeinsamkeiten mit Schwerstverbrechern haben? Dazu muss man sich erstmal überwinden… Ja, und nur wenn ich den Widerstand auflöse und bereit bin, mich mit dem anderen auseinanderzusetzen, kann ich auch einen Zugang zu ihm finden. Ich muss mich selbst zu ihm hinbewegen, auch wenn er das vielleicht gar nicht merkt. Aber er wird sich dann ebenfalls verändern und zugänglicher werden. Und wenn jemand sehr arrogant ist – um jetzt wieder zum Kunden zurückzukommen? Arroganz lässt sich sehr gut händeln, wenn man das dahinterliegende Bedürfnis nach Geltung bedient. Wenn ich den anderen anerkenne und ihm gebe, was er braucht, dann kann ich mit ihm gut auskommen, ohne mich zu verbiegen oder selbst herabzuwürdigen. Wenn ich mich allerdings an seiner Arroganz störe, klappt das nicht, dann gehe ich innerlich auf Konfrontation und Ablehnung. Was schade ist, denn gerade eitle Menschen lassen sich besonders leicht positiv stimmen, wenn man sie respektiert und wertschätzt. Drehen wir mal die Sache um – was ist mit dem umgekehrten Fall, dass ein Verkäufer seinen Kunden herablassend behandelt? – Wobei es den ja eigentlich gar nicht geben dürfte…vor allem nicht im B2B. Im B2B-Bereich weniger, da stimme ich Ihnen zu. Teilweise gibt es Konstellationen, in denen der Lieferant tatsächlich eine ziemliche Arroganz an den Tag legt, zum Beispiel, wenn ein großes Unternehmen einem kleinen Kunden zu verstehen gibt, dass er froh sein kann, überhaupt beliefert zu werden. Was es öfters gibt, vor allem im technischen und im IT-Bereich, ist dieses Fachchinesisch, bei dem der Kunde Mühe hat, dem Verkäufer zu folgen. Da hat man manchmal das Gefühl, der Verkäufer hält den Kunden für dumm, wenn er es wagt, nachzufragen. Was es auch noch gibt – allerdings weniger im B2B-Bereich – ist dieses gelangweilte Herunterspulen von Informationen. Damit zeigt man dem Kunden, dass man das Ganze möglichst schnell hinter sich bringen will, egal, wie. Das allerdings erlebe ich häufig bei Berufsgruppen, die nicht unbedingt im Vertrieb tätig sind, wie zum Beispiel bei Zugbegleitern, wenn sie die Zugverbindungen so schnell und undeutlich herunterrattern, dass man das kaum verstehen kann. Das ist schon eine Unverschämtheit gegenüber den Reisenden, die wissen wollen, auf welchem Gleis ihr Anschlusszug abfährt. Damit wären wir wieder bei der Empathie und dem „Abholen“ des Kunden… Genau, es geht bei der Augenhöhe vor allem darum, einen Kontakt zum anderen herzustellen, wo noch keiner ist. Wer rücksichtslos fachsimpelt oder Informationen herunterrattert, zeigt dem anderen, dass er ihm im Grunde egal ist. In dem Moment, in dem ich mich für den anderen interessiere und versuche, mich in ihn hineinzuversetzen und Gemeinsamkeiten zu finden, da bin ich mit ihm verbunden und auf Augenhöhe. www.lutz-herkenrath.de
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