Lutz Herkenrath
Als Schauspieler erreichte Lutz Herkenrath vor allem durch die Fernsehserie „Ritas Welt“ einen hohen Bekanntheitsgrad. Sein Wissen und seine Erfahrungen gibt er als Redner und Coach weiter.
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Mitten im Wandel
Digitalisierung, Klimawandel, Migration, Fachkräftemangel – wir leben in turbulenten Zeiten. Viele Unternehmen sehen sich gezwungen, sich ganz neu aufzustellen oder Umstrukturierungen vorzunehmen. Dies führt – wie jeder Wandel – zu Ängsten, Unsicherheit und auch Ablehnung. Wie Führungskräfte mit solchen Herausforderungen erfolgreich umgehen und wie sie ihre Vertriebsmitarbeiter motivieren, engagiert mitzumachen, darüber habe ich mit dem Schauspieler Lutz Herkenrath gesprochen. Als Vortragsredner wird er derzeit zum Thema Wandel besonders häufig angefragt.
Herr Herkenrath, das Thema Wandel ist allgegenwärtig – und durch die Digitalisierung und das veränderte Kauf- und Informationsverhalten auch im Vertrieb. Was macht es denn so schwer, sich mit dem Wandel produktiv auseinanderzusetzen und ihn aktiv mitzugestalten?
Wenn Menschen in einem Wandel stecken – und da nehme ich mich natürlich nicht aus –, neigen sie dazu, an vermeintlichen Sicherheiten festzuhalten. Dazu gebe ich Ihnen mal ein dramatisches Bild aus dem Pferdesport: Wenn ein Pferd in seiner Box steht und es bricht woanders im Stall ein Feuer aus, dann bleibt es trotzdem in seiner Box stehen, auch wenn das Gatter offen ist. Es fühlt sich darin sicher. Diese Entscheidung kostet das Pferd das Leben. Genauso verhalten wir uns als Menschen: Wenn wir in eine neue Situation geraten, die wir uns nicht ausgesucht haben und die uns Angst macht, dann klammern wir uns an das, was wir kennen. Nur mit dem Unterschied, dass uns niemand eine Pferdedecke überwerfen und am Zügel ziehen kann, um uns zu retten. Wie raten Sie Führungskräften in solch einer Situation? Wie können sie sich und ihre Mitarbeiter retten, wenn es eben keine Pferdedecke gibt? Aufgabe der Führungskraft ist es, mit den Ängsten der Menschen umzugehen und vor allem, die Ängste ernst zu nehmen. Dazu sind leider die meisten Chefs nicht wirklich bereit, stattdessen suggerieren sie, dass alles ganz toll wird. Das ist eine glatte Lüge, die Konsequenzen hat: Sobald es nämlich wackelt, ist das Vertrauen der Mitarbeiter dahin. Deshalb appelliere ich an Führungskräfte, bei tiefgreifenden Veränderungen ihren Mitarbeitern zu sagen: „Ja, es wird heftig. Aber gemeinsam schaffen wir das.“ Gerade in Krisenzeiten müssen Führungskräfte die Wahrheit sagen, also ehrlich mit den Veränderungen und der Ungewissheit umgehen. Sie müssen ihre Mitarbeiter auf Rückschläge vorbereiten, denn die wird es mit Sicherheit geben. Gleichzeitig müssen sie aber auch Zuversicht ausstrahlen und möglichst schnell Erfolge herbeiführen. Das geht am besten mit kleinen Zwischenschritten und Teilerfolgen. Dann kann man sich Schritt für Schritt vorarbeiten, nach dem Motto: „Wenn wir das geschafft haben, schaffen wir das andere auch.“ Darüber hinaus muss die Sinnhaftigkeit der Veränderung geklärt werden: Auch wenn die Führungskraft selbst Zweifel daran hat, muss sie ihren Mitarbeitern ehrlich sagen, was Sache ist. Also beispielsweise, dass sie sich das so nicht ausgesucht hat, dass die Umstrukturierung vom Mutterkonzern ausgeht und man jetzt keine andere Wahl hat, als diese aktiv mitzutragen. Die Führungskraft muss eine lügenfreie Atmosphäre schaffen, sich die Ängste und Sorgen ihrer Mitarbeiter anhören, und diese anerkennen. Das tun leider die wenigsten. Was kann eine Führungskraft denn tun, wenn sie ihren Mitarbeitern eben nicht alles offen sagen darf, sondern die Anweisung hat, ihnen Dinge zu verheimlichen? Das ist ja eine enorm belastende Situation. Dann muss sie damit zu ihrem eigenen Chef gehen und ihm das persönliche Dilemma schildern. Wenn dieser weiterhin darauf besteht, dass bestimmte Dinge nicht an die Mitarbeiter weitergegeben werden, muss die Führungskraft einen Weg finden, damit umzugehen und die Situation für sich klären. Dabei hilft es auch, eigene Glaubenssätze zu überdenken, denn die dürfen nicht bremsen. In der Praxis sieht es aber häufig anders aus – da findet eher selten eine offene Kommunikation statt. Ja, ich sehe häufig, dass viele Führungskräfte das nicht leisten wollen. Sie verstecken sich lieber hinter Powerpoints und sind schlecht erreichbar. Oft drückt sich schon durch ihre Körpersprache aus, dass sie nicht offen und ehrlich zu ihren Mitarbeitern sind, was dem Vertrauensverhältnis enorm schadet. Als Führungskraft muss man sich immer fragen, wie man wirkt und ob man authentisch ist. Dazu gehört eben auch, offen und ehrlich auf eine Frage zu antworten: „Das weiß ich nicht. Im Moment habe ich selbst nicht alle Informationen.“ Allerdings muss dann die wichtige Botschaft folgen: „Wir werden das aushalten. Wir sind groß genug und können das.“ Wenn das aufrichtig ist, ist die Chance groß, dass die Mitarbeiter sagen, „Ja, da gehe ich mit“. Wenn die Mitarbeiter aber sehen, dass die Führungskraft sich versteckt, dann sehen sie Führungsschwäche. Damit kann man keinen Wandel erfolgreich gestalten. Was können Sie denn der Führungskraft mitgeben, um sich selbst aufzubauen? Woher soll sie ihren Mut und ihre Zuversicht nehmen? Ich selbst ziehe immer Kraft aus dem Motto der Bremer Stadtmusikanten: „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall.“ Wir haben nicht die Wahl, was uns passiert – aber wir haben die Wahl, wie wir damit umgehen. Wir dürfen Angst haben, das ist menschlich. Und dann dürfen wir dafür sorgen, dass es uns wieder gut geht und weitermachen. Dabei hilft es, auf vergangene Situationen zurückzublicken, die man im Leben schon erfolgreich gemeistert hat. Der Verstand liebt Probleme – aber der emotionale Teil braucht Hoffnung, die muss man ihm geben. Haben Sie noch einen abschließenden Tipp für Führungskräfte in Zeiten des Wandels? Ich verweise da gerne auf die Herkunft des Wortes „Herzog“: Das war ursprünglich wortwörtlich derjenige, der das Heer zog. Er ritt an vorderster Front mit und trug einen besonderen Helm, sodass er sofort zu erkennen war. Genauso müssen sich Führungskräfte in Krisenzeiten verhalten: Sie dürfen sich nicht zu schade sein, ganz vorne mitzureiten. Nur dann sind sie Vorbild und nicht nur Vorredner. www.lutz-herkenrath.de
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