Lutz Herkenrath
Als Schauspieler erreichte Lutz Herkenrath vor allem durch die Fernsehserie „Ritas Welt“ einen hohen Bekanntheitsgrad. Sein Wissen und seine Erfahrungen gibt er als Redner und Coach weiter.
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Über Authentizität und Individualität
Das Thema Authentizität begegnet mir sehr häufig. Denn gerade für Vertriebsmitarbeiter, die im direkten Kundenkontakt stehen, ist es erfolgsentscheidend, wie glaubwürdig und überzeugend sie wirken. Was Authentizität überhaupt ist, wie sie entsteht und wirkt, dazu habe ich Lutz Herkenrath interviewt. Als Schauspieler mit 30 Jahren Bühnenerfahrung, der heute auch als Redner und Coach tätig ist, kennt er sich ganz besonders gut mit Wirkung und Ausstrahlung aus.
Herr Herkenrath, was ist eigentlich Authentizität und was bedeutet sie für Sie?
Authentizität ist die Kongruenz, also die Deckungsgleichheit von dem, was ich innerlich erlebe und dem, was ich nach außen gebe. Die berühmte Tänzerin und Choreographin Pina Bausch hat gesagt: „Jede innere Haltung bewegt sich äußerlich sichtbar.“ Das heißt, wenn ich mich über jemanden ärgere, wenn ich über ihn etwas Negatives und Abfälliges denke, dann kann ich das nicht verbergen, selbst wenn ich versuche, ein freundliches Lächeln aufzusetzen. Man spürt immer, dass es nicht echt ist. Ich muss also bei meiner inneren Einstellung beginnen, um authentisch zu sein. Jetzt gibt es natürlich Situationen, in denen man sich als Verkäufer über einen Kunden ärgert oder bereits mit einer negativen Haltung ins Gespräch geht, weil etwas Unerfreuliches stattgefunden hat. Wie kann man da authentisch sein, ohne dass es zum Konflikt kommt? Wenn ich eine starke Emotion habe und mich über das Verhalten des Gesprächspartners ärgere, dann darf ich das auch sagen – vorausgesetzt, ich tue das respektvoll. Mit einer respektvollen inneren Haltung kann ich auch Dinge ansprechen, die mich stören und mit denen ich nicht einverstanden bin. Gerade im Vertrieb und im Außendienst gibt es ja bestimmte Rollenklischees. Da ist einmal das Bild vom immer smarten, lächelnden Verkäufer, dann gibt es das vom Verkäufer mit Ecken und Kanten. Genauso gibt es aber auch Verkäufer, die in keines dieser Klischees passen und die überhaupt nichts an sich haben, was man gemeinhin mit Verkäufern in Verbindung bringt… Die sind wahrscheinlich die besten. Die, die empathisch sind und sich auf den Kunden und die Situation einstellen. Sie werden als Mensch wahrgenommen. Wer glaubt, als Verkäufer nur eine Funktion erfüllen zu müssen und sich als Mensch völlig zurücknimmt, der irrt. Kunden kaufen nicht von einer Funktion, sondern von einem Menschen. Es gibt kein Bild, dem man entsprechen muss. Ich selbst habe dazu als Schauspieler und später auch als Redner sehr interessante Erfahrungen gemacht: Früher hatte ich bestimmte Zielgruppen vor Augen bzw. eine konkrete Vorstellung von den Personen, für die ich glaubte, zu spielen. Ihnen wollte ich gefallen und entsprechen. Als ich damit aufgehört habe, sondern einfach nur ich selbst in meiner Rolle war, habe ich gemerkt, dass ich plötzlich viel mehr Menschen erreiche. Je individueller ich also werde, umso universeller werde ich sein. Ich kann Verkäufern deshalb nur raten, ihre individuelle Persönlichkeit nicht einem bestimmten Rollenklischee zu opfern, sondern sie ganz bewusst wahrzunehmen und nach außen zu bringen. Wer aufhört, jemandem gefallen zu wollen oder bestimmten Vorstellungen zu entsprechen, der wird authentisch. Was raten Sie denn Anfängern im Vertrieb, die ihre ersten Kunden- und Verkaufsgespräche führen und die sich alles andere als sicher und souverän fühlen? Da liegt es ja recht nahe, dass sie versuchen, ihre Unsicherheit zu überspielen, auf Kosten der Authentizität. Ihnen rate ich, genau das nicht zu tun, sondern zu ihrer Nervosität zu stehen. Es ist überhaupt nichts dabei, einem Kunden zu sagen: „Ich bin jetzt am Anfang, ich fange jetzt ganz neu mit Ihnen an…“ oder „Mein Herz klopft gerade sehr, denn dieser Moment ist für mich sehr spannend. Ich mache das noch nicht so lange.“ Das zu sagen, ist Ausdruck von Selbstbewusstsein, im wahrsten Sinn des Wortes: Ich bin mir meiner selbst und meiner Gefühle bewusst und die bringe ich jetzt zum Ausdruck. Glauben Sie, dass das bei den Kunden und vor allem bei den Vorgesetzten so gut ankommt? Der Kunde möchte doch einen Verkäufer, der seinen Job gut kann… Es kann schon sein, dass das die Vorgesetzten erst mal nicht so gut finden. Ich kann aber auch da aus eigener Erfahrung sagen, dass es einem niemand übelnimmt, wenn man offen über seine Nervosität spricht und zugibt, dass man etwas zum ersten Mal macht. Ich habe gelernt, auch Pannen während eines Vortrags mit Humor zu nehmen – und das Publikum genießt sie als willkommene Auflockerung. Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn mal etwas schief geht, die Powerpoint-Präsentation nicht anspringt oder ich eine Folie nicht finde – entscheidend ist, was ich daraus mache. Mein Leitsatz dazu lautet: „Verspannung ist abstoßend, Entspannung ist anziehend.“ Wenn ich über mich und die Situation lachen kann, kommt das sympathisch rüber. Das ist beim Kunden ganz genauso. In dem Moment, in dem ich nicht mehr versuche, perfekt zu sein oder einem bestimmten Ideal zu entsprechen, sondern einfach ich selbst bin, entspanne ich mich. Dann bin ich authentisch und im Einklang mit dem, was ich innerlich erlebe. Ich persönlich habe beschlossen: Egal, was passiert – ich behalte weiterhin meine gute Laune. Das ist eine bewusste Entscheidung, die auch jeder Verkäufer für sich treffen kann. Was ist mit Situationen, in denen man so angespannt ist, dass man eben nicht aus dieser Anspannung herauskommt? Dann muss ich in die emotionale Vorbereitung gehen. Als Schauspieler hat man das schon mal, dass man in ein paar Stunden auf der Bühne steht und eine Rolle spielen muss, für die man gerade nicht in der richtigen Stimmung ist. Da muss man selbst dafür sorgen, sich darauf einzustimmen. Zum Beispiel, indem man einen anderen Ort aufsucht und sich eine Umgebung schafft, die eine Stimmungsänderung herbeiführt. Ich zum Beispiel habe mich, wenn ich eine sehr traurige Rolle gespielt habe, aber draußen herrliches Wetter war und ich lieber in der Sonne gelegen hätte, schon weit vorher ins Theater begeben, um mich emotional auf diese Rolle vorzubereiten. Will man sich nun als Verkäufer vor einem Kundenbesuch in eine fröhliche, optimistische Stimmung bringen, macht man natürlich genau das Gegenteil und sucht sich ein positives Umfeld. Das ist aber, wie gesagt, Teil der Vorbereitung und nichts, was man mal eben im Hauruckverfahren herbeiführen kann. Ist diese emotionale Vorbereitung nicht möglich und die Stimmung komplett im Keller, empfehle ich, wichtige Termine lieber zu verschieben. Das dürfte manchmal schwierig sein… Wenn es irgendwie machbar ist und ich wirklich mein Bestes geben möchte, ist es die bessere Wahl. Es sei denn, ich kann mich spontan, wenn es darauf ankommt, ganz auf die Situation einlassen und so meinen inneren Zustand verändern. Noch eine abschließende Frage: Die mangelnde Authentizität wird gerne von Verkäufern dafür hergenommen, wenn es darum geht, etwas Neues zu trainieren. Also zum Beispiel bestimmte Verkaufstechniken oder eine andere Herangehensweise beim Kundengespräch. Da heißt es dann: „Ich bin nicht authentisch, wenn ich das so und so mache.“ Was sagen Sie dazu? Da muss man unterscheiden zwischen Bequemlichkeit und einer inneren Ablehnung, die dadurch entsteht, dass etwas den eigenen Werten und Grundsätzen widerspricht. Es ist sicherlich so, dass es für viele Verkäufer angenehmer ist, wenn sie einfach so weitermachen können wie bisher. Doch wenn wir etwas Neues lernen und trainieren, fühlt sich das immer erst mal ungewohnt an, bis es eben in Fleisch und Blut übergegangen ist. Sagt jemand allerdings, nachdem er sich intensiv mit den neuen Methoden befasst und sie trainiert hat, immer noch: „Nein, das ist nicht meins, das passt nicht zu mir, ich mache das lieber anders“, dann sollte man das respektieren. Denn er wird nicht erfolgreich und schon gar nicht authentisch sein, wenn er etwas tut, was er zutiefst ablehnt. Wenn sich jemand aber von vornherein gegen etwas Neues sträubt und sich erst gar nicht näher damit befasst, dann liegt es nahe, dass die Authentizität nur als Ausrede benutzt wird. www.lutz-herkenrath.de
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