Susanne HeinzSusanne Heinz verfügt über 20-jährige Erfahrung in der Personalentwicklung. Mit einem selbstentwickelten, modularen Selbstlerntool will sie Unternehmen und Mitarbeiter unterstützen, ihre Lern- und digitalen Kompetenzen auszubauen, um eine positive Lernkultur zu schaffen.
|
Lernen wird andersUnternehmen, Kunden und Märkte verändern sich. Und zwar so rasant, dass es zur ständigen Herausforderung wird, mit den Veränderungen Schritt zu halten. Starre Formen der Weiterbildung funktionieren schon lange nicht mehr. So benötigen Unternehmen neue und flexible Formen des Lernens – und eine offene und agile Lernkultur. Diesem weiten Feld des Lernens hat sich Susanne Heinz verschrieben. Sie ist Lerncoach und berät Unternehmen darin, die Selbstlernkompetenz ihrer Mitarbeiter zu erhöhen. Mit ihr habe ich darüber gesprochen, wie agiles und vor allem umsetzbares Lernen im Vertrieb aussehen kann.
Frau Heinz, Seminare sind ja nach wie vor der Klassiker in der Weiterbildung. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen hinsichtlich der Nachhaltigkeit. Denn selbst wenn die Teilnehmer hochmotiviert zurückkommen, fallen so manche bald wieder in den alten Trott zurück. Wie sehen Sie das?
Das erlebe ich natürlich auch. Mitarbeiter werden eingeladen, auf ein Training zu gehen – und es werden exakt diese ein bis drei Tage geblockt, je nachdem, wie lange die Veranstaltung dauert. Das Mindeste wäre, auch noch den Folgetag für die Nachbereitung zu reservieren, doch das findet in den wenigsten Fällen statt. Seminare und Trainings können nur dann wirksam werden, wenn man sich auch die entsprechende Zeit für die Vor- und Nachbereitung nimmt. Ich empfehle, im Vorfeld mit der Führungskraft den persönlichen Lernbedarf und das Entwicklungsfeld zu klären. Hat man ein passendes Seminar gefunden, pickt man sich die Themen heraus, auf die man sich fokussieren möchte. Wer alles aus einem Seminar mitnehmen und umsetzen will, der übernimmt sich. Das ist ein ganz häufiger Fehler. Wer sich dagegen stark fokussiert, kann im Nachgang seine Aufmerksamkeit immer auf ein ganz bestimmtes Thema richten und bleibt so leichter dran. Man kann sich zum Beispiel in einer Woche speziell auf die Einwandbehandlung konzentrieren. In der nächsten Woche achtet man darauf, dem Kunden besser zuzuhören und seine Signale und Botschaften wirklich wahrzunehmen. Das klingt nach wenig, ist aber viel, wenn es konsequent umgesetzt wird. Außerdem empfehle ich, sich täglich fünf oder zehn Minuten genau für dieses eine spezielle Thema zu reservieren und sich damit auseinanderzusetzen. Das kann morgens nach dem Aufstehen sein oder nach der Mittagspause. Das erfordert Eigeninitiative und eine gute Selbstorganisation… Lernen funktioniert nicht mit Zwang, sondern nur, wenn jemand wirklich lernwillig ist. Gute Mitarbeiter sind das, sie wollen sich weiterentwickeln und spüren die Notwendigkeit. Gerade wer im Vertrieb tätig ist, erlebt es ja tagtäglich, dass man nicht stehenbleiben darf. Besonders den Außendienstmitarbeitern, die es ohnehin gewohnt sind, sich selbst zu organisieren, kommt es entgegen, wenn man ihnen in der Weiterbildung viel Freiraum und Eigenverantwortung lässt. Nur sind leider in Unternehmen die Strukturen noch häufig so, dass Mitarbeitern, die sich weiterentwickeln wollen, nicht genügend Unterstützung angeboten wird. Oder sie werden im schlimmsten Fall sogar ausgebremst, wenn ihnen beispielsweise verboten wird, in den sozialen Netzwerken aktiv zu sein. Das kann ich gar nicht verstehen. Soziale Medien können aber auch Zeitfresser sein… Seinen Mitarbeitern uneingeschränkten Zugriff auf die sozialen Medien zu erlauben, erfordert ein hohes Vertrauen. Das ist nicht immer gegeben. Dennoch halte ich es für kontraproduktiv, engagierten Mitarbeitern – gerade im Vertrieb – zu verbieten, beispielsweise auf LinkedIn aktiv zu sein. Produktiv wäre es, sich gemeinsam mit den Möglichkeiten und Chancen auseinanderzusetzen, die es in den sozialen Netzwerken gibt, und sich regelmäßig dazu auszutauschen und voneinander zu lernen. Sicherlich ist das für alle Beteiligten ein großes Lernfeld und für viele noch ungewohnt. Manche Unternehmen sind gerade dabei, Leitlinien für die Social-Media-Nutzung zu erarbeiten. Wie könnte ein solcher Austausch aussehen? Genauso wie die üblichen wöchentlichen Meetings reserviert man sich dafür feste Zeiten. Man kann sich auch zu kurzen Meetings treffen, die beispielsweise nur 15 Minuten dauern. Dann fragt man in die Runde, wie das letzte Learning im vorausgegangenen Quartal war, was man für Erfahrungen gesammelt hat. Das lässt sich natürlich nicht nur auf das Online-Lernen beschränken, sondern man kann sich auch dazu austauschen, was einem in den vorausgegangenen Kundengesprächen besonders aufgefallen ist. Vielleicht gab es Rückmeldungen zu Produkten, Verbesserungsvorschläge und Wünsche, die auch für die Produktentwickler interessant sind. Wenn das mehrere Kollegen bestätigen können, sie also ähnliche Erfahrungen gemacht haben, hat man in diesem Fall einen Lerneffekt für die Optimierung des Produktangebots. Es empfiehlt sich also auch, Lernen abteilungsübergreifend zu verstehen und sich da noch viel besser auch im eigenen Unternehmen zu vernetzen. Neben den sozialen Medien bietet ja auch das „übrige“ Internet eine Fülle an Informationen und Beiträgen. Wie soll man sich in diesem Wust zurechtfinden ohne sich zu verzetteln? Da kann man ganz systematisch nach Inhalten und Stichwörtern suchen. Wenn das jeder im Team macht und man sich gegenseitig die Inhalte bzw. die Links zur Verfügung stellt, können alle davon profitieren. Manche Unternehmen haben dafür sogenannte Wissensbroker. Das sind Personen, die gezielt Lerninhalte recherchieren und selektieren – von Fachartikeln über Fachbücher, Podcasts bis hin zu Seminaren und Webinaren. Oder sie folgen Experten auf LinkedIn oder Twitter. Das kann natürlich auch jeder Mitarbeiter und Verkäufer für sich machen. Was halten Sie denn generell von Online-Learnings wie Webinaren? Webinare können eine gute Alternative sein, wenn ein Präsenzseminar nicht infrage kommt. Allerdings eignen sie sich nicht für alle Lerninhalte. Präsentations-, Verhandlungs- und Rhetoriktrainings, bei denen unter anderem in Rollenspielen geübt wird, lassen sich online nicht nachbilden. Andere Inhalte funktionieren gut, wie beispielsweise ein Xing-Profil anzulegen. Außerdem ist bei Webinaren zu beachten, dass sie nicht länger als 60 bis 90 Minuten dauern sollten, sonst lässt die Konzentration nach. Das starre Auf-den-Bildschirm-Schauen ist etwas völlig anderes als die interaktive Teilnahme an einem Präsenz-Seminar. Deshalb müssen Webinare auch dem Format entsprechend aufbereitet sein. Interaktion ist das Zauberwort. Ideal ist es natürlich, wenn man beides miteinander verzahnen kann. Und kostenlose YouTube-Videos? Viele Verkaufstrainer stellen dort ja Videos ein. YouTube-Videos haben aus meiner Sicht den Nachteil, dass ich vorher nicht weiß, ob sie wirklich die Themen und Fragen behandeln, zu denen ich etwas erfahren möchte. Ich muss mir das ganze Video anschauen und das kostet Zeit. Bei Seminaren habe ich vorher eine Beschreibung und kann die Tagesordnungspunkte durchgehen. Danach kann ich entscheiden, ob sie zu meinem Lernbedarf passen oder nicht. Was halten Sie von individuellen Life-Coachings, also der Eins-zu-Eins-Begleitung durch einen Coach im Berufsalltag? Das ist eine große Chance und hat einen riesigen Effekt bei guten Vertriebs- und Außendienstmitarbeitern. Für sie ist das die perfekte Möglichkeit, sich auf ein noch höheres Level zu bringen. Ein solches Coaching darf nur auf freiwilliger Basis geschehen, sonst geht es schief. Bei Top-Leuten lohnt sich diese Investition auf jeden Fall. Welche Botschaft möchten Sie Vertrieblern und Führungskräften im Vertrieb mit auf den Weg geben? Ich empfehle jedem, darüber nachzudenken, wie man die eigene Selbstlernkompetenz verbessern kann. Da stellt sich die Frage nach der eigenen Disziplin und wie gut es einem gelingt, sich selbst zu organisieren und am Lernen dranzubleiben. Oder wie man sich Unterstützung holt – auch das ist eine wichtige Frage, gerade für Außendienstmitarbeiter, die häufig als Einzelkämpfer unterwegs sind. Oder wie man mit Widerständen umgeht. Wenn man sich diese Fragen beantwortet, bekommt man einen Eindruck, wie es um die eigene Selbstlernkompetenz bestellt ist – und woran es sich lohnt, zu arbeiten. www.artaro-muenchen.de
|