Sebastian Grothaus
Sebastian Grothaus bietet Beratungs- und Vertriebsdienstleistungen für Social Entrepreneure. Er engagiert sich unter anderem im Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND e.V.) und ist der Ansprechpartner für Social Entrepreneure in Nordrhein-Westfalen.
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Klarer Blick statt Aktionismus
Die Coronakrise schafft unterschiedliche Szenarien. Während bei den einen das Geschäft noch immer nahezu stillsteht, entdecken andere bislang ungeahnte Möglichkeiten und Chancen. Auch bei den Sozialunternehmen ist die Lage unterschiedlich. Mehr dazu hat mir Sebastian Grothaus im Interview erzählt. Mit seiner Vertriebsagentur Good Profits hat er sich speziell der Zielgruppe Social Entrepreneure verschrieben, die er berät und vertrieblich unterstützt.
Herr Grothaus, wie erleben Sie und Ihre Kunden die Krise? Gibt es bei Ihnen auch Krisengewinner?
Wir hatten gerade ein internes Meeting, da haben wir genau über diese Frage gesprochen. Es gibt Unternehmen, bei denen ein, zwei Großkunden weggebrochen sind oder sogar ein Großteil der Kunden. Dann gibt es Unternehmen, die können momentan überhaupt keine Umsätze generieren. Es gibt aber auch noch eine weitere Gruppe, die genau das Gegenteil darstellt: Das sind die Unternehmen, die genau die Lösung für das haben, was jetzt gebraucht wird. Solche Kunden betreuen Sie? Wir betreuen zum Beispiel ein Softwareunternehmen, das Digitalisierungslösungen für Jugendeinrichtungen, Vereine, Schulen und Kitas anbietet. Gerade jetzt ist der Bedarf immens, denn diese Einrichtungen sind häufig noch gar nicht richtig digitalisiert. Doch jetzt brauchen sie die digitale Lösung ganz dringend, um die Jugendlichen informieren und mit ihnen kommunizieren zu können. Deshalb muss es jetzt bei den Kunden ganz schnell gehen. Speziell dieses Unternehmen bekommt momentan sehr viele Anfragen von den Trägern und Einrichtungen. Akquirieren müssen Sie da nicht mehr? Vor der Krise habe ich dieses Unternehmen mit telefonischer Kaltakquise unterstützt. Allerdings ist es jetzt so, dass ohnehin die Mitarbeiter und Entscheider der Trägereinrichtungen im Home-Office sind und teilweise keine Diensthandys besitzen. Das heißt, man erreicht sie nicht. Von daher macht hier momentan die telefonische Akquise wenig Sinn, so viel ich sonst von ihr halte. Abgesehen davon, dass im Moment ohnehin die Kunden von selbst auf das Unternehmen zukommen. Betreuen Sie auch Unternehmen, die momentan keine Umsätze einfahren? Einer unserer Kunden ist ein Startup, das Sportveranstaltungen für soziale Zwecke organisiert. Die können ja bis auf Weiteres nicht stattfinden, das heißt, im Moment lässt sich hier kaum Vertriebsarbeit machen. Die bestünde vor allem darin, Sponsoren für die Sportevents zu gewinnen – das ist in der jetzigen Situation ziemlich unsinnig. Glücklicherweise war bei diesem Unternehmen noch vor der Krise die Finanzierung abgeschlossen und es gibt kaum laufende Kosten. Von daher ist ein finanzielles Polster vorhanden und wir können uns darum kümmern, die Strukturen und Prozesse zu schärfen. Normalerweise wäre die Sportmesse Fibo ein wichtiges Highlight gewesen – jetzt setzen wir viel auf Social Media. Man muss eben schauen, was jetzt geht und die Zeit sinnvoll nutzen. Wie sieht es jetzt generell aus mit Kaltakquise? Ist die in der Krise überhaupt angesagt? Da muss man unterscheiden. Wer jetzt die Lösung für akute Probleme hat, der hat auch das komplette Recht, damit groß rauszugehen und die Leute zu kontaktieren. Bei anderen Unternehmen – wie eben Veranstaltern von Großevents – ist jetzt der falsche Zeitpunkt dafür. Zumal man immer auch bedenken muss, dass auch die Zielunternehmen teilweise in der Krise stecken. Da muss man mit großem Fingerspitzengefühl herangehen und schauen, was angemessen ist. Wenn man jetzt nicht explizit eine Problemlösung für eine Krisensituation hat, würde ich von der Kaltakquise absehen. Bekommen die Sozialunternehmen staatliche Zuschüsse in der Krise? Die BAFA bezuschusst Unternehmensberatungen für von der Krise betroffene Unternehmen zu 100 Prozent bis 4.000 Euro. Auch wir sind bei der BAFA gelistet und können diese voll bezuschussten Beratungen anbieten. Allerdings sind gemeinnützige Unternehmen davon ausgenommen – und viele ökosoziale Unternehmen sind gemeinnützig. Sie gehen also leer aus. Das beschäftigt uns gerade. Wir überlegen, was wir diesen Unternehmen anbieten können. Für Hilfskredite kommen die meisten Sozialunternehmen leider auch nicht in Frage, weil sie – trotz der Übernahme der Kreditrisiken durch die KfW – als nicht profitabel genug gelten. Das klingt jetzt nicht so gut – gibt es noch etwas Positives zu berichten? Es ist spannend zu sehen, dass die Gesellschaft jetzt das digitale Arbeiten entdeckt hat. Da gibt es noch jede Menge Nachholbedarf, auch bei denen, die eigentlich digital aufgestellt sind. Wir selbst haben in Kooperation eine Webinarreihe zum Thema „digitales Verkaufen über Online-Tools“ entwickelt. Diese Webinarreihe wird auch Bestand haben nach Corona. Ich bin mir sicher, dass sich noch einiges verändern wird. Überhaupt finde ich vom Geschäftlichen her die Situation gar nicht so schlecht. Es gibt viele Chancen. Man muss sich überraschen lassen. Zurzeit sagen mir viele Interviewpartner, dass jetzt die beste Zeit wäre, Neues auszuprobieren. Sie finden das offensichtlich auch? Definitiv. Am besten lässt man sich nicht von der allgemeinen Hektik anstecken, sondern betrachtet die Sache mit einem klaren Blick. Meine Partnerin Miriam Hohenfeldt ist geradezu Meisterin in Sachen Zustandsmanagement. Es ist jetzt sehr wichtig, dass man sich zuerst um sich selbst kümmert, bevor man irgendwelche Maßnahmen ergreift. Bevor man aktionistisch loslegt, sollte man erst einmal gut durchschnaufen und seinen eigenen, inneren Zustand ins Gleichgewicht bringen. Dann schaut man, wohin es weiter gehen könnte. www.good-profits.de
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