Stefanie Arnold
Stefanie Arnold ist Executive Coach, Beraterin und Trainerin. Sie ist Partnerin von Leadership Choices und dort verantwortlich für die neu gegründete LC Academy.
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Feedback als Führungsinstrument
Wann immer Menschen miteinander kommunizieren, geben sie sich gegenseitig Rückmeldung – verbal, mimisch, körpersprachlich oder auch schriftlich. Das bewusste Feedback scheint allerdings deutlich seltener zu erfolgen. Und gerade für Führungskräfte ist Feedback oft ein sehr sensibles Thema. Stefanie Arnold ist Partnerin von Leadership Choices und coacht sehr häufig zum wirkungsvollen Feedback geben und auch Feedback nehmen. Im Interview erzählt sie von ihren eigenen Erfahrungen und gibt Tipps für bewusstes – und deutlich entspannteres Feedback.
Frau Arnold, wie gut sind Führungskräfte im Feedback geben? Was ist da Ihr persönlicher Eindruck?
Zu diesem Thema bekomme ich vor allem Rückmeldungen aus den Personalabteilungen meiner Kunden. Da höre ich sehr häufig, dass Feedback geben und auch Feedback nehmen – das sogar noch mehr – sehr ungeliebte Themen sind. Feedback wird oft als anstrengend, zeitraubend und gefährlich empfunden. Gefährlich deshalb, weil Fehler beim Feedback geben dazu führen können, dass Mitarbeiter verletzt und beleidigt sind, sich degradiert fühlen oder Beziehungen zerstört werden. Deshalb drücken sich manche Führungskräfte lieber davor. Ich bin viel in Banken unterwegs, dort trainiere und coache ich Vertriebsmitarbeiter – und gerade da höre ich besonders oft von den Führungskräften im Vertrieb: „Frau Arnold, warum soll ich mich extra hinsetzen und aufwändige Feedbackgespräche führen? Wir sehen und hören uns doch sowieso ständig und reden über unsere Zahlen.“ Dass Feedback geben ein ungeliebtes Thema ist, habe ich schon vermutet – wie erleben Sie die Situation konkret in den Unternehmen? Über die Jahre hinweg habe ich fünf verschiedene Typen von Führungskräften ausgemacht – die begegnen mir fortlaufend. Der erste Typ ist eine Führungskraft, die sagt: „Ein Mitarbeitergespräch pro Jahr muss reichen.“. Die Gefahr bei diesen jährlichen Gesprächen ist, dass sie unkonkret sind und die Erinnerung fehlt. Der Mitarbeiter hat vielleicht schon längst vergessen, was vor acht, zehn oder elf Monaten war und kann überhaupt nicht mehr nachvollziehen, über welche Situation gesprochen oder was ihm vorgeworfen wird. Vielleicht steht eine einmalige Verfehlung im Fokus – und die vielen anderen Sachen, die der Mitarbeiter das ganze Jahr über gut gemacht hat, rücken in den Hintergrund. Der Mitarbeiter ist enttäuscht und versteht nicht, warum ihm der Chef erst nach Monaten sagt, was ihn stört. Ich halte deshalb ein einziges Feedbackgespräch pro Jahr für grob fahrlässig. Ein solches Gespräch kann man als Personalentwicklungsmaßnahme, als Zukunftsgespräch gestalten – dann ist es wirksam. Der zweite Typ ist der Harmoniesüchtige – ihn habe ich sehr häufig in meinen Coachings und Seminaren. Er will immer eine gute Beziehung, ist teamorientiert und viel zu nett, auch aus Angst, seine Leute zu verlieren. Er nennt die Dinge nicht beim Namen – und dadurch wird sein Feedback unwirksam. Dann gibt es den rationalen ZDF-Typ. Für ihn gelten Zahlen, Daten und Fakten. Die können natürlich positiv sein – was dabei allerdings fehlt, ist das Zwischenmenschliche, die persönliche Ansprache, die Motivation. Dieser Typ würdigt das Engagement seiner Mitarbeiter zu wenig, er sieht nicht, wenn sie sich reinhängen, sondern schaut nur auf Ergebnisse, Vertriebszahlen, Umsätze. Der vierte Typ ist der Theoretiker. Das sind oft jüngere Kollegen mit wenig Erfahrung. Sie wollen alles richtig und perfekt machen, sie schauen sich meine Feedback-Tipps an – doch so, wie sie sich verhalten, wirken sie nicht authentisch und menschlich. Die Mitarbeiter denken sich: „Wo hat er denn das her? Das passt doch nicht zu ihm. Hat er ein Buch zum Thema Feedback gelesen?“ Den fünften Typ nenne ich den Cowboy. Das ist jemand, der alles unüberlegt rausknallt. Er sucht sich keinen angemessenen Raum, er schaut nicht, ob noch andere Leute zuhören oder zuschauen – das ist ihm völlig egal. Durch sein Verhalten kann er die Stimmung und die Beziehung töten. Oft werden die Mitarbeiter von ihm völlig überrascht. Sie sehen schon, das sind alles Typen, bei denen es nicht so richtig rund läuft. Die meisten verfolgen eine Strategie, aber sie merken, dass sie nicht wirklich wirksam sind mit ihrem Feedback. Deshalb sind sie mit sich selbst unzufrieden. Dahinter stecken ja ganz unterschiedliche Persönlichkeitstypen. Dieser Cowboy-Typ ist offensichtlich jemand, der von Natur aus impulsiv und direkt ist. Allerdings ist er vermutlich auch der einzige von diesen fünf Typen, der wirklich spontan und ehrlich positives Feedback äußert, wenn er begeistert ist? Absolut, der Cowboy kann toll überraschen, motivieren, für eine fröhliche Stimmung sorgen – wenn er gut drauf ist, reißt er die gesamte Mannschaft mit. Auch der Theoretiker und der ZDF-Typ können positives Feedback geben. Wie kommt es eigentlich, dass Feedback so häufig mit etwas Negativem behaftet ist? Wenn Sie Feedback googeln, bekommen Sie jede Menge Treffer mit Tipps zum Feedback geben. Da ist in den allermeisten Fällen die Rede davon, dass man sehr aufpassen muss, damit das Gespräch nicht eskaliert, der andere nicht beleidigt und verletzt ist usw. Das hat sich schon richtig festgesetzt. Es gibt auch dieses Modell vom Feedback-Burger: Zunächst nehme ich etwas Positives zum Einstieg, das ist die untere Brötchenhälfte, bevor ich das Fleisch, also die negative Kritik, die ich äußern will, daraufsetze. Ganz zum Schluss packe ich noch die zweite Brötchenhälfte obendrauf, sage also wieder etwas Nettes, um dem Gesprächspartner zu zeigen, dass ich ihn trotzdem mag, wertschätze und nicht verletzen will. Damit wird Feedback automatisch in einen negativen Kontext gerückt. Irgendwie ist man ja auch schon so programmiert. Wenn jemand sagt, er müsse etwas mit einem besprechen und fängt mit etwas Positivem an, dann denkt man automatisch: „Was will er mir wirklich sagen? Wann kommt er endlich zum Thema?“ Und man wartet schon auf das berühmte Aber… Genau, und deshalb halte ich es für so wichtig, wirklich regelmäßig Feedback zu geben und nicht nur einmal im Jahr oder wenn mich etwas schon so lange stört, dass ich es nicht mehr tolerieren kann. Auf diese Weise entstehen diese negativen Eindrücke und Verknüpfungen. Ich habe früher mal in einer Firma gearbeitet, in der nach jeder Präsentation, jedem Workshop und jedem Kundenevent die „Bs“ und „Cs“ besprochen wurden. Das sind die Benefits und die Concerns. Ein solches Ritual empfehle ich jedem Unternehmen, jeder Abteilung einzuführen. Damit wird Feedback zur Selbstverständlichkeit und verliert seinen Schrecken – denn die positiven Aspekte werden genauso besprochen wie die Nachteile bzw. die Dinge, die es noch zu verbessern gilt. So stehen Lob und Kritik gleichwertig nebeneinander und werden selbstverständlich Müssen Führungskräfte Feedback geben lernen? Müssen tun sie natürlich gar nichts, allerdings beobachte ich, dass der Bedarf sehr groß ist. Ich selbst habe bestimmt zehn, zwölf größere Veranstaltungen pro Jahr, in denen ich explizit nur Feedback behandle. In diesen Workshops und Coachings merken die Teilnehmer, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, wenn man wirksam Feedback gibt und dass dies die Führungsarbeit erheblich erleichtert. Bei diesen Veranstaltungen können sie Feedback zu geben proben – und natürlich auch Feedback zu nehmen. Dieses Erproben im geschützten Raum nimmt ihnen den Druck und die innere Anspannung. Sie müssen nicht befürchten, Mitarbeiter zu verletzen und Schaden anzurichten. Ein solches Training empfehle ich jeder Führungskraft, insbesondere im Vertrieb – es kann auch intern auf Kollegenebene durchgeführt werden. Im Zentrum steht immer die Frage: „Wie kann ich durch Feedback Menschen motivieren?“ Gerade im Vertrieb sind die Mitarbeiter doch ohnehin gewohnt, Feedback zu bekommen. Ein Verkäufer steht im Kundenkontakt und erhält permanent Rückmeldungen – ob verbal, mimisch, körpersprachlich oder schriftlich. Von daher dürfte es doch selbstverständlich sein, dass auch Vertriebsleiter ihren Mitarbeitern Feedback geben? Sicher, Vertriebsmitarbeiter bekommen ständig Feedback, natürlich auch vom Chef. Allerdings ist das häufig kein institutionalisiertes Feedback, sondern eher ein indirektes Feedback. Die Mitarbeiter müssen es selbst deuten, und dabei entstehen leicht Missverständnisse. Zum Beispiel? Da sitzen die Mitarbeiter im Meeting, ein Verkäufer präsentiert seine Erfolge vom letzten Quartal – und der Chef guckt etwas gelangweilt ein paarmal an die Wand. Jedenfalls sieht es für den Mitarbeiter, der gerade präsentiert, so aus. Wenn er da nicht beim Chef nachfragt und der Chef auch von sich aus nichts weiter dazu sagt, kann ein ganz großes Missverständnis entstehen. In solchen Fällen rate ich jedem Mitarbeiter, den Chef darauf anzusprechen – ihm also Feedback zu geben – und zu sagen, dass man den Eindruck hatte, er sei nicht zufrieden gewesen. Nur so lässt sich die Situation klären und die Ungewissheit auflösen. Vielleicht ist der Chef ganz überrascht, weil er einfach nur einen Fleck an der Wand betrachtet hat. Gerade durch Banalitäten entstehen oft die größten Missverständnisse. Haben Sie einen speziellen Tipp, wie Führungskräfte am besten Feedback geben? Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Mitarbeiter zur Selbstreflexion anzuregen. Das heißt, die Führungskraft sagt nicht einfach, was sie von den Leistungen des Mitarbeiters hält, sondern sie bittet ihn, auf einer Skala von 0 bis 10 seine Leistungen einzuschätzen und mit einer Zahl zu benennen, wobei die Zehn das Optimum darstellt. Stuft sich der Mitarbeiter auf der Skala mit der Zahl 6 ein, spricht die Führungskraft mit ihm darüber, wo Luft noch nach oben ist und welche Maßnahmen und Verbesserungen möglich sind, um einen Schritt nach oben zu gelangen. Damit wird das Feedbackgespräch zum persönlichen Motivationsgespräch und Feedback wird automatisch in einen positiven Kontext gerückt. Kann man denn auch führen ohne Feedback? In seltenen Fällen ja. Es gibt völlig autonome Kontexte, da funktioniert das. Universitätsprofessoren sind vollkommen unabhängig in ihrer Lehre, sie bekommen vom Hochschulleiter keinerlei Feedback – wohl aber von ihren Studenten. Ansonsten sind sie autonom unterwegs mit einem sehr hohen Freiheitsgrad. In hochmotivierten agilen Kontexten können die Beteiligten ebenfalls ohne Feedback von oben auskommen. Allerdings gehen sie am Ende des Tages in die Retrospektive, das haben sie ritualisiert – sie reflektieren die Benefits und die Concerns. Das ist ein neues, agiles Feedback, das sie sich gegenseitig geben. Wie ist es denn mit sehr autoritären Führungsstilen, wenn jemand Anweisungen gibt? In Kontexten wie bei der Feuerwehr und in der Notaufnahme ist kein Platz für Diskussionen. Da kommt es darauf an, schnell zu entscheiden und entsprechende Anweisungen zu geben. Dabei wird geschrien, es geht ja um Leben und Tod. Ich habe mal einen Chef einer Notaufnahme gecoacht, der ein echtes Problem mit seinen Mitarbeitern hatte, sie liefen ihm scharenweise davon. Ihm habe ich empfohlen, regelmäßig Einzelgespräche mit seinen Mitarbeitern zu führen. Das ist natürlich ein Extrembeispiel – im normalen Vertriebskontext dürfte es ja jederzeit genügend Raum für Feedbackgespräche geben… Vertriebsmitarbeiter brauchen bewusstes Feedback, nur so sind willentliche Korrekturen und Verbesserungen mit ihnen möglich. Für mich ist bewusstes und damit wirkungsvolles Feedback eines der wichtigsten Führungsinstrumente überhaupt. In welchem Rahmen wird Feedback denn am besten gegeben? Ist der persönliche, der physische Kontakt wichtig? Wir haben ja jetzt schon einige Wochen hinter uns, in denen Führungskräfte und Mitarbeiter nur noch per Video-Call oder telefonisch miteinander sprechen konnten. Virtuelle Sitzungen finden häufig mit mehreren Personen statt – da arbeite ich gerne mit dieser Skala von 0 bis 10, um die Leute zur Selbstreflexion anzuregen. Einzel-Feedbacks kommen virtuell allerdings meistens zu kurz – und sie sind auch problematisch, es kommt leicht zu Missverständnissen. Da empfehle ich, lieber miteinander zu telefonieren. Und auch das ganz entspannt, vielleicht sogar bei einem Spaziergang, zu dem man sich verabredet – jeder geht zum Telefonieren nach draußen, um etwas Abstand zu gewinnen. Dabei dreht die Führungskraft die Sache einmal um: Statt selbst Feedback zu geben, fragt sie den Mitarbeiter, wie es ihm geht, wie er die Situation empfindet – sie holt sich also sein Feedback ab und wird ganz bewusst zum Feedback-Nehmer. Denn auch das ist ein Zeichen einer guten Führungskraft: Wissen, was angemessen ist – und bei Bedarf kehrt sie die Situation auch mal um. www.leadership-choices.com
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