Klaus AngerbauerKlaus Angerbauer ist Verkaufstrainer, Speaker und Autor. 1994 gründete er ANGERBAUER & PARTNER sales performance improvment.
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Der digitalisierte Kunde – eine Herausforderung
Wohl kaum ein Kunde, der sich (noch) auf die Beratung eines Verkäufers verlässt. Stattdessen wird gegoogelt, was das Zeug hält. Testberichte und Produktbewertungen werden hinzugezogen, Fachleute online konsultiert – doch im Netz lässt sich nicht immer erkennen, inwieweit Informationen tatsächlich von Experten, echten Käufern und unabhängigen Testern kommen oder ob sie gekauft und gefakt sind. Welche Herausforderungen solch vorinformierte Kunden mit sich bringen, darüber habe ich mit dem Verkaufstrainer Klaus Angerbauer gesprochen. Er plädiert für eine Strategie, die von der klassischen Bedarfsanalyse abweicht.
Erst das Kundenproblem anhand von Fragen ermitteln und analysieren, dann eine passende Lösung erarbeiten und präsentieren – in vordigitalen Zeiten war das die übliche Vorgehensweise, die Verkäufern beigebracht wurde. „Heute haben es Verkäufer zunehmend mit Kunden zu tun, die mit ganz konkreten Produkt- oder Dienstleistungsvorstellungen auf sie zukommen und die gesamte Vorrecherche bereits selbst erledigt haben“, erklärt Klaus Angerbauer. Würde man einem solchen Kunden vorschlagen, erst einmal eingehend sein Problem zu analysieren und praktisch bei null anzufangen, hätte er dafür kein Verständnis. Denn schließlich hat er ja mehrere Stunden damit verbracht, sich in das jeweilige Thema einzuarbeiten und fühlt sich bestens vorinformiert. Er glaubt, nun selbst ein Experte zu sein.
Anerkennung „Genau da muss man ansetzen“, sagt Klaus Angerbauer. „Selbst wenn das vermeintliche Expertenwissen falsch ist und der Kunde mit seinem Ergebnis daneben liegt, gilt es als erstes, seine Leistung anzuerkennen und wertzuschätzen.“ „Da haben Sie ein wirklich hervorragendes Gerät ausgesucht“ ist beispielsweise ein Satz, mit dem ein Verkäufer den Kunden loben und bestätigen kann – ohne eine Aussage darüber zu treffen, inwieweit das Gerät auch in seinem speziellen Fall die beste Wahl ist. Dies anhand einer gründlichen Bedarfsanalyse zu überprüfen, wäre bei einem Kunden, der sehr überzeugt von seinem Vorgehen und seiner Entscheidung ist, nicht machbar – zumindest nicht in dieser Phase. Denn das würde bedeuten, all das, was der Kunde bislang an Vorarbeit geleistet hat, in Frage zu stellen. Grundsätzlich sieht Angerbauer drei Möglichkeiten, für die sich ein Verkäufer in solch einer Situation entscheiden kann:
Wer sich für die dritte Variante entscheidet, braucht ein gutes Gespür für den Kunden und die Situation – und er muss sehr behutsam beginnen, dem Kunden Fragen zu stellen. „Harte, direkte Fragen, die mit ‚warum‘ oder ‚wieso‘ beginnen, erzeugen schnell Konfrontation und Abwehrreaktionen“, so Angerbauer. Besser ist deshalb eine sanfte bis beiläufige Einleitung der Frage: „Darf ich Sie fragen, weshalb Sie sich gerade für dieses Modell entschieden haben?“ oder „Mal rein aus persönlichem Interesse – was war denn der ausschlaggebende Grund, warum Sie sich dafür entschieden haben?“ Stimme und Tonalität Dabei ist es ganz wichtig, auf Stimme und Tonalität zu achten – ein bestimmender Tonfall würde der Frage einen Verhörcharakter geben. Deshalb empfiehlt es sich, eher etwas leiser zu sprechen, weniger betont – wie beiläufig, bei einer Unterhaltung. Auch die Körpersprache muss dazu passen und sollte ebenfalls zurückhaltend sein. So gefragt, nennen Kunden häufig schon Gründe, anhand derer sich erkennen lässt, aus welchen Quellen sie ihre Informationen bezogen haben. Vielleicht sprechen sie von Testseiten im Internet (die allerdings zum Teil verdeckt von Herstellern betrieben und gesteuert werden) oder sie machen nur vage Angaben, weil sie es selbst nicht mehr so genau wissen. „Der Sinn solcher Fragen ist nicht nur, konkrete Antworten zu bekommen, sondern auch den Kunden sanft dazu zu bringen, seine bisherige Entscheidungsfindung und seinen Kenntnisstand zu überdenken“, so Angerbauer. „Wissen Sie, bei diesem Test wurden 20 Geräte getestet – allein wir haben 250 im Sortiment“ – Antworten wie diese lassen den Kunden erkennen, dass er vielleicht doch nicht so gut beraten war, wie er geglaubt hat. Oder er hat irgendwo etwas von Studienergebnissen gelesen – kann sich aber nicht mehr daran erinnern, wo dies war und was genau die Inhalte waren. „Sobald der Kunde anfängt, von sich aus das, was er zu wissen glaubte, anzuzweifeln, ist er offen für eine Bedarfsanalyse“, erklärt Angerbauer. „Er verlässt seine ursprüngliche Erwartungshaltung und lässt sich in eine frühere Phase zurückholen, in der das Resultat noch offen ist." Wenn das gelungen ist, kann der Verkäufer ganz klassisch anhand von Situationsfragen, Problemfragen und Resultatfragen die Bedarfsabklärung vornehmen und am Ende eine Lösung anbieten, die das tatsächliche Kundenproblem löst – und mit der der Kunde wirklich Erfolg haben wird. www.angerbauer-verkaufstraining.com |