Tobias Ain„Verkaufen macht Spaß“ ist das Motto von Verkaufstrainer Tobias Ain.
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„Einen Termin zu bekommen ist leicht“
Im B2B gehört die Telefonakquise zu den Klassikern. Und sie funktioniert ganz hervorragend, findet der Verkaufstrainer Tobias Ain. Was sie konkret zu leisten vermag, darüber haben wir im Interview gesprochen.
Herr Ain, Sie sind ja ein großer Fan der Telefonakquise. Was macht sie so besonders?
Sie können mit einem einzigen Telefonanruf den Verkaufsprozess in Gang setzen und dabei schon sehr weit kommen. Diese Möglichkeit wird häufig unterschätzt oder gar nicht wahrgenommen. Viele Unternehmen und Verkäufer sehen den Erstanruf ja nur als Mittel, um einen Termin zu vereinbaren. Das ist aus meiner Sicht viel zu kurz gedacht. Denn einen Termin zu bekommen ist leicht. Das ist sogar das Leichteste überhaupt im Verkauf. Doch eine hohe Terminquote, also eine hohe Schlagzahl, ist kein Qualitätsmerkmal. Vielleicht habe ich viele Termine, aber keinen einzigen wirklichen Interessenten, der am Ende kauft. Das kann es nicht sein. Wenn ich hingegen Telefonakquise so verstehe, dass ich unmittelbar in den Verkaufsprozess einsteige, bekomme ich sehr schnell verwertbare Informationen und Erkenntnisse. Vielleicht merke ich schon nach zwei Minuten, dass der Gesprächspartner kein potenzieller Kunde ist. Dann bin ich froh, dass ich das schon nach so kurzer Zeit weiß und nicht noch unnötig Zeit und Geld investieren muss. Wenn ich aber merke, ja, da ist was, der Gesprächspartner hat Interesse und Bedarf, dann mache ich weiter. Warum sollte ich gerade jetzt aufhören und einen Termin vereinbaren, wenn ich schon so weit gekommen bin und wir mitten im Thema sind? Das klingt sehr vielversprechend – doch viele Verkäufer haben ja das Problem, dass sie schon zu Beginn abgewiesen werden, der Entscheider keine Zeit hat oder sie von der Zentrale nicht durchgestellt werden. Wie können sie einen guten Gesprächseinstieg finden? Das ist ein typischer Denkfehler, der mir andauernd begegnet – die Telefonakquise beginnt nicht mit dem Gesprächseinstieg, sondern mit der Vorbereitung. Darunter verstehe ich allerdings nicht, sich irgendwelche Leitfäden zu erstellen, die man dann wortwörtlich herunterbetet. Checklisten finde ich gut, damit arbeite ich auch. Darauf notiere ich mir wichtige Themen, Stichwörter, Referenzen – und all das, was ich mir nicht merken kann, was aber wichtig ist und auf was ich im Gespräch Zugriff haben möchte. Die eigentliche Vorbereitung besteht darin, den Gesprächspartner und sein Unternehmen kennenzulernen. Da ruft man sich ganz klassisch die Firmen-Website auf, außerdem sind soziale Netzwerke wie Xing gute Informationsquellen, um etwas über den Gesprächspartner als Mensch zu erfahren. Ich suche immer nach Gemeinsamkeiten, vielleicht sehe ich gemeinsame Interessen, Hobbys – oder vielleicht ist es einfach nur die räumliche Nähe, die ich hervorheben kann. Eine solche Vorbereitung dauert nicht lang, doch sie hilft mir, mich auf den Gesprächspartner einzustellen. Wenn ich mich mit ihm vorher beschäftigt habe, dann ist mein Anruf auch nicht mehr kalt, sondern warm. Ich kann ganz anders mit jemandem sprechen, wenn ich schon etwas über ihn weiß. Dann kann ich auch gezielt ein Thema, einen Aufhänger nehmen, von dem ich weiß, dass er passt und der Gesprächspartner darauf anspricht. Nichtsdestotrotz muss man es ja schaffen, durchgestellt zu werden bzw. nicht abgewimmelt zu werden… Wenn ich nicht die Durchwahl zum Entscheider habe, rufe ich ja entweder in der Zentrale oder im Vorzimmer an. Da habe ich sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die Empfangsdame oder Sekretärin – meistens ist es ja eine Frau – um Hilfe zu bitten. Ich sage ihr, wen ich sprechen möchte, worum es geht – und dann frage ich, was sie mir nun empfiehlt und wie ich am besten vorgehe. Wie gut das gelingt, hängt sehr davon ab, wie ich mich als Mensch gebe und welche Einstellung ich habe. Wer von „Firewall“ oder „Vorzimmerdrachen“ spricht, drückt aus, dass er die Sekretärin als Hindernis sieht, das es zu überwinden gilt, bei Bedarf auch mit aggressiven oder trickreichen Mitteln. Die verwende ich grundsätzlich nicht. Und wenn man schon beim Entscheider oder Vorentscheider landet? Da muss ich mir darüber im Klaren sein, dass ich mit meinem Anruf störe. Und zwar immer. Wenn ich dann noch direkt anfange, mein Anliegen herunter zu rattern, werde ich ziemlich schnell hören, dass der Angerufene keine Zeit oder kein Interesse hat. Das ist der Klassiker und deshalb muss ich es anders machen. Zum Beispiel, indem ich das Tempo rausnehme und für Überraschungsmomente sorge. Wenn ich anrufe, begrüße ich den Gesprächspartner, nenne meinen Namen – und sage dann erst mal nichts. Schon das sorgt regelmäßig für Überraschungsmomente, denn die meisten Leute erwarten, dass jetzt auch gleich noch etwas hinterherkommt. Manche sind dann richtig verdutzt und reagieren entsprechend, andere grüßen mich zurück und warten dann ebenfalls. So können wir ganz normal auf Augenhöhe miteinander sprechen. Dann muss ich etwas sagen, mit dem ich Vertrauen wecke. Ich spreche also ein Thema an, von dem ich weiß, dass es den anderen gerade beschäftigt. Ich stelle ihm eine Frage dazu – und durch die Art und Weise, wie ich spreche, merkt der andere, dass ich kompetent bin, mich mit seinen Belangen und Problemen auskenne. Dazu muss ich natürlich die richtigen Wörter verwenden, also die typischen Fachbegriffe kennen und das nötige fachliche und branchenspezifische Verständnis haben. Der andere merkt sofort, ob ich mich wirklich auskenne oder nur so tue. Was ist denn der größte Fehler, den Verkäufer bei der Telefonakquise machen? Sie fragen zu wenig, hören zu wenig zu und reden viel zu viel. Das erzählen Sie und Ihre Kollegen seit Jahr und Tag… Mir hat mal ein Teilnehmer bei einem Telefontraining gesagt: „Herr Ain, ich weiß schon, was Sie jetzt sagen – Sie werden sagen, dass wir zu wenig Fragen stellen“ – und so war es auch. Es mangelt also nicht unbedingt am Wissen, sondern vor allem an der Umsetzung. Deshalb ist es auch so wichtig, das, was man gelernt hat, in der Praxis zu trainieren und sich auch von anderen Menschen Feedback geben zu lassen. Das machen wir in meinen Telefontrainings. Und natürlich muss man sich auch selbst kritisch beobachten und immer wieder darauf achten, was man am Telefon sagt, ob man sich überhaupt für den Gesprächspartner interessiert oder ob man vielleicht schon vorschnell bei der Lösung ist. Diese Umsetzung in die Praxis, also vom Wissen ins Tun zu kommen, ist sicherlich die größte Herausforderung. Noch eine abschließende Frage: Kann man tatsächlich im B2B den gesamten Verkaufsprozess telefonisch abwickeln? Bei komplexen, hochpreisigen Investitionsgütern sicherlich nicht, das liegt auch an den Entscheidungsprozessen im Kundenunternehmen. Allerdings habe ich einen Kunden, der Testgeräte am Telefon „verkauft“ und dem potenziellen Kunden vollkommen ohne Risiko vier Wochen lang zur Verfügung stellt. Nach dieser Frist kann der Kunde entscheiden, ob er das Gerät behält und den Kaufvertrag unterschreibt oder ob er es zurückgibt. Die Erfolgsquote liegt hier bei 90 Prozent. Grundsätzlich empfehle ich, am Telefon so weit zu gehen wie möglich. Je leichter ich es dem Kunden mache, zu kaufen, umso besser sind meine Chancen. Wenn jemand Interesse hat, fragt er ja üblicherweise nach einem Angebot. Habe ich meine Sache gut gemacht, alles geklärt, auch den Preis und der Gesprächspartner ist der Alleinentscheider, dann ist dieser Zwischenschritt im Grunde nicht mehr nötig – denn der Kunde möchte ja kaufen und wir sind uns einig. Deshalb gestalte ich meine Angebote gleichzeitig als Auftragsbestätigung. Der Kunde muss nur noch auf der letzten Seite unterschreiben, seinen Firmenstempel daraufsetzen und die Auftragsbestätigung an mich zurückschicken. Generell gilt: Je niedrigpreisiger und standardisierter ein Produkt, umso höher sind die Chancen, dass ich es komplett am Telefon verkaufen kann. Was auch sehr gut funktioniert, ist, zeitgleich mit dem Gesprächspartner auf die eigene Firmen-Website zu gehen und ihn dort per Telefon zu navigieren. So kann er sich selbst einen guten Eindruck verschaffen und ich muss nicht extra zu ihm hinfahren und ihm vor Ort etwas präsentieren. www.tobiasain.de |